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Gesundheit: TU-Berlin: Mängel in der Lehre

Wie lange benötigt eine Universität, um zu ermitteln, wie es um ihre Lehre bestellt ist? Zwei Untersuchungen vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) über Kernfächer in den Natur- und Ingenieurwissenschaften hatten Ergebnisse zutage gefördert, die die Berliner TU zum Handeln geradezu herausfordern müssen.

Wie lange benötigt eine Universität, um zu ermitteln, wie es um ihre Lehre bestellt ist? Zwei Untersuchungen vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) über Kernfächer in den Natur- und Ingenieurwissenschaften hatten Ergebnisse zutage gefördert, die die Berliner TU zum Handeln geradezu herausfordern müssen. Aber die TU ließ sich Zeit. Zuletzt hatte eine Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung, veröffentlicht im Studienführer der Zeitschrift "Stern", ergeben, dass die Studenten die Lehre und Betreuung an der Technischen Universität Berlin in den Fächern Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik und Verfahrenstechnik sehr schlecht beurteilten. Da nützten alle Pfunde aus der Forschung nichts: Die TU bildete im bundesweiten Vergleich oft das Schlusslicht.

Das war im vergangenen Mai. Seitdem ging ein Sturm der Entrüstung über die vermeintlich böswilligen Unterstellungen der Hochschulforscher, die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung und der Rektorenkonferenz ihren Studienführer erstellt hatten, durch die Uni. Doch der Sturm entpuppt sich als Sturm im Wasserglas. Erst am Mittwoch nahmen die Dekane zu der Kritik Stellung und berichteten vor dem Akademischen Senat, dass eigene Umfragen die Ergebnisse der CHE-Studie mit teilweise frappierender Übereinstimmung bestätigten. Lediglich für Jörg Steinbach von der TU-Fakultät für Prozesswissenschaften steht weiterhin fest: "Für uns wurde das CHE mit dieser Studie zum roten Tuch. Die im Stern veröffentlichte Studie ist so dilettantisch, dass wir uns ihren Ergebnissen verschließen." In den Prozesswissenschaften ist die harsch kritisierte Verfahrenstechnik angesiedelt.

Den Kopf einfach in den Sand zu stecken - diese Reaktion lehnte der Dekan der Fakultät für Maschinenbau ab. Angesichts eigener Umfragen warnte Arnold Upmeyer davor, die Ergebnisse des CHE-Rankings leichtfertig zu missachten. "Wir müssen dieses negative Bild ernst nehmen", sagte er. "Unsere Studenten haben bestätigt, dass die Ausstattung mit Computern im Grundstudium nicht ausreicht. Bei der Suche nach Praktika erwarten sie mehr Unterstützung. Professoren und Assistenten sind nur selten persönlich verfügbar." Die Fakultät will nun eine eigene Praktika-Börse einrichten und den Kontakt zu ihren Studenten verbessern.

Auch die TU-Bauingenieure hatten die CHE-Umfrage mit Fragebögen überprüft. Dabei kam heraus, dass die Studenten lieber Übungen und Kolloquien besuchen, als sich in langweilige Vorlesungen zu setzen. Die Studenten beklagten, dass die Vorbereitung auf Prüfungen durch die Dozenten mangelhaft sei und sie auch bei der Wahl des Vertiefungsfaches keine ausreichende Unterstützung erhielten. Auch beim Berufseinstieg fühlten sie sich allein gelassen.

Auf die langen Studienzeiten von über 14 Semestern angesprochen, kritisierten knapp 80 Prozent der befragten Studenten, dass sich die Vorbereitung auf die Prüfungen zu kompliziert gestaltet. Heinrich Kaase von der Fakultät für Elektrotechnik schlug vor, künftig größere Stoffgebiete auf mehrere Einzelprüfungen zu verteilen. Viel Zeit wird auch bei den Diplomarbeiten verschenkt, indem sich beispielsweise die Anmeldung des Themas über etliche Monate verzögert. Die bessere Kontrolle der Termine für Anmeldung und Abgabe soll die Studenten stärker an ihre Pflichten erinnern. Aber oft lassen sich auch die Professoren zu viel Zeit, bis die Bewertung der Arbeit vorliegt. In den kritisierten Fächern ist die Studiendauer mit durchschnittlich 14,4 Semestern viel zu lang - das sind zwei bis vier Semester über den "schnellsten" Unis im Bundesgebiet. Andererseits nehmen die Studenten heute oft schon während des Hauptstudiums ihre berufliche Tätigkeit auf. Dieser Trend hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich verstärkt: Die Studienzeiten verlängern sich, der Übergang in den Beruf wird fließend. Auch das Freizeitangebot der Stadt Berlin lockt.

Die Dekane schlugen vor, die Dozenten der TU künftig in jedem Semester auf Lehrkonferenzen zusammenzubringen: Dort soll über Erfahrungen und neue Lehrangebote berichtet werden. Auch die Bestellung von eigens für die Lehre zuständigen Studiendekanen ist im Gespräch. In der TU-Fakultät für Elektrotechnik starteten die Wissenschaftler eine Spendenaktion, um den Mangel an Computern kurzfristig zu beheben. Heinrich Kaase berichtete, dass die Studenten im Grundstudium zur Elektrotechnik derzeit mit etwas mehr als vier Semestern auskommen. "Das ist kaum mehr zu unterbieten", meinte er. "Vielleicht kommt da eine neue Generation von Studenten, die einfach zielstrebiger studiert.

Der für die Lehre zuständige Vizepräsident Jürgen Sahm bezeichnete die Vorschläge als ersten Schritt, das Thema werde ein Dauerbrenner. "Wir müssen sowohl bei den Professoren als auch bei den Mitarbeitern das Bewusstsein für die Bedeutung der Lehre wecken", sagte er. "Die Studenten müssen das Gefühl haben, dass wir die Lehre ernst nehmen." Sahm sucht eine enge Kooperation mit dem CHE, um die nächsten Umfragen inhaltlich weiter zu schärfen.

Heiko Schwarzburger

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