zum Hauptinhalt

Gesundheit: Unentschieden

KOMMENTAR Thomas de Padova über den Schachwettkampf zwischen Mensch und Maschine Zum zweiten Mal ist ein Schachweltmeister zu einem Schaukampf gegen den stärksten Computer der Welt angetreten. Vor fünf Jahren verlor der damalige Weltmeister, Garri Kasparow, gegen das Elektronenhirn Deep Blue.

KOMMENTAR

Thomas de Padova über den Schachwettkampf zwischen Mensch und Maschine

Zum zweiten Mal ist ein Schachweltmeister zu einem Schaukampf gegen den stärksten Computer der Welt angetreten. Vor fünf Jahren verlor der damalige Weltmeister, Garri Kasparow, gegen das Elektronenhirn Deep Blue. Kasparow blieb weit unter seinen Möglichkeiten. Jetzt hat Wladimir Kramnik gegen einen deutlich stärkeren Automaten gespielt – und die Revanche knapp verpasst. Am Ende hat es für den amtierenden Weltmeister nur zu einem Unentschieden gegen Deep Fritz gereicht. Haben die Maschinen inzwischen eine Intelligenz erlangt, die der unseren vergleichbar ist?

Ob man Computer als „intelligent“ bezeichnet oder nicht, bleibt wohl eine Frage des Geschmacks. Jedenfalls unterscheiden sich maschinelle und menschliche Intelligenz grundlegend voneinander. Und gegen eine Maschine zu spielen, war daher für den Schachweltmeister etwas völlig anderes als sich mit seinesgleichen zu messen.

Wladimir Kramnik brillierte in den ersten Partien. Er schränkte die taktischen Möglichkeiten des Automaten geschickt ein. Indem er etwa die gefährlichsten Figuren, die Damen, schnell aus dem Spielfeld räumte, beraubte er den Computer der Chance, seine enorme Rechenkapazität in einen kurzfristigen Vorteil umzumünzen. Denn darin lag die Stärke der Maschine: alle Varianten bis in jede auch noch so abwegige Verästelung hinein zu überprüfen und jede Unachtsamkeit, die in seinem Rechenhorizont lag, umgehend zu bestrafen.

Der äußerst konzentrierte und vorsichtige Weltmeister gab sich keine Blöße. Vielmehr spielte Kramnik seine Fähigkeit aus, langfristige Strategien zu entwickeln. Er transzendierte die Reichweite der Rechenmaschine mit abstrakten Plänen und einem vagen Spielgefühl. So bezwang er den Computer, der keinen Plan zu fassen imstande ist und immer nur mit bedeutungslosen Zeichen operiert, gleich zweimal.

Dann aber kippte der bereits sicher gewonnen geglaubte Wettkampf. Und symptomatisch hierfür war die sechste Partie. Darin griff der mutig gewordene Weltmeister den Computer auf dem Terrain an, auf dem Deep Fritz inzwischen als geradezu unschlagbar gilt: auf dem Feld der taktischen Verwicklungen und Kombinationen. Kramnik lockte den gegnerischen König mit einem Springeropfer auf das offene Brett hinaus. Und einen Moment sah es so aus, als ob dem schutzlosen König kein Fluchtweg bleiben würde. Doch Deep Fritz verteidigte sich derart geschickt, dass der Angriffsdruck des Weltmeisters nach wenigen Zügen verpuffte.

Während der Computer in drei Minuten mehr als 500 Millionen Züge durchgerechnet hatte, war es Kramnik nicht möglich gewesen, die ganze Vielfalt der Alternativen zu durchdenken. Ein Schachspieler durchläuft selten das ganze Labyrinth der Zugmöglichkeiten. Er erkennt in einer Position der Figuren bestimmte Muster wieder und verlässt sich dann auf seinen Angriffsinstinkt. Im schnellen, offenen Gefecht ist er der Maschine damit allerdings unterlegen.

Der Schachwettkampf zwischen Wladimir Kramnik und Deep Fritz hat einmal mehr verdeutlicht, dass ein Computer die menschliche Intelligenz nicht simuliert. Die Maschine hat völlig andere Fähigkeiten. Sie kann Dinge, die der Mensch nicht kann.

Im Alltag ist der Computer freilich nicht unser Gegner, sondern ein selbst gewähltes Hilfsmittel. Er filtert in Sekundenschnelle Informationen aus Datenbanken heraus und kontrolliert Abläufe in der industriellen Produktion. Er nimmt uns Routinearbeiten ab und unterstützt uns, wenn es darum geht, Fehler in Texten zu finden.

Mehr noch: Der Computer verändert inzwischen auch unser Denken. Mit einem Textverarbeitungssystem schreiben wir Texte heute anders und deshalb andere Texte als ehemals mit Federhalter und Papier. Auch die neue Generation von Schachspielern, die ständig mit Computern trainiert, entwickelt eine andere Kreativität im königlichen Spiel.

Wir sollten den Computer jedoch nicht überschätzen. Er kann dem Menschen zwar auf 64 abgegrenzten Feldern Paroli bieten. Aber wenn es darum geht, sich in einem veränderlichen Umfeld selbstständig zu bewegen, darin neue Begebenheiten zu bewerten oder gar weit reichende Entscheidungen vor einem kulturellen Hintergrund zu treffen, dann wird er den Menschen auch künftig nicht ersetzen können.

Die menschliche Intelligenz lässt sich nicht kopieren. Sie ist gebunden an unsere Umwelt, an unsere Sinne und die Erfahrungen, die die Menschheit im Laufe der Evolution gemacht hat. Der Computer tickt anders. Er kann uns helfen, unsere so erstaunlichen wie bescheidenen geistigen Fähigkeiten zu erweitern. Im Schach ist er heute ein fast unbezwingbarer Sparringspartner. Nur wenn er seine Rechenkraft nicht entfalten kann, offenbart er Schwächen, die zugleich die Stärken des Menschen sind. Ein Unentschieden ist ein gerechtes Ergebnis.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false