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Gesundheit: „Unglaubliche Möglichkeiten“

Der Forscher Hans Schöler darüber, wie Stammzellen unser Bild von der Medizin verändern werden

Forschern der HarvardUniversität ist es geglückt, menschliche embryonale Stammzellen mit Hautzellen zu verschmelzen. Am Ende hatten diese Zellen die Eigenschaften der Stammzellen angenommen, auch die Gene der Hautzellen hatten sich „verjüngt“. Wie bewerten Sie das?

Man wusste bereits, dass embryonale Stammzellen der Maus adulte, also „erwachsene“ Zellen „reprogrammieren“ können. Meine Arbeitsgruppe hat gezeigt, dass diese Verjüngungsaktivität in den Zellkernen der Stammzellen sitzt. Kevin Eggans Arbeitsgruppe in Harvard hat nun sehr schön nachgewiesen, dass das „erwachsene Programm“ in den verschmolzenen Zellen praktisch völlig abgeschaltet wird und dagegen das „embryonale Programm“ eingeschaltet wird.

Wie geht so etwas vor sich?

Man muss sich das wohl so vorstellen, dass in den embryonalen Stammzellen eine dominante Aktivität ist. Wahrscheinlich erfolgt diese Umprogrammierung nach der Verschmelzung der Zellkerne.

Wenn man also Körperzellen in embryonale Stammzellen umwandeln kann – braucht man dann überhaupt noch neue embryonale Stammzellen?

Da halte ich es mit Kevin Eggan, der hervorgehoben hat, dass dieses Vorgehen nicht direkt zu Therapien führen kann. Der Versuch zeigt lediglich, dass embryonale Stammzellen eine Aktivität besitzen, die diese Verjüngung von erwachsenen Zellen ermöglicht. Aber dadurch, dass diese verjüngten Zellen natürlich auch noch die Chromosomen der embryonalen Stammzellen besitzen, hätte man ein Problem, würde man diese Zellen für Therapien einsetzen.

Warum?

Weil dann unter anderem die Gefahr besteht, dass fremde Gene, nämlich die der embryonalen Stammzellen, angeschaltet werden und dadurch die Zelle als fremd erkannt und abgestoßen wird. Sie müssten jetzt also Wege finden, diese Chromosomen aus den embryonalen Stammzellen wieder loszuwerden.

Wie könnte man das machen?

Der eleganteste Ansatz wäre, die „verjüngende“ Aktivität, die in den Stammzellen vorhanden ist, zu isolieren und als Proteine, als Cocktail von Faktoren in die Zellen zu geben. Dann hätten Sie überhaupt keine Chromosomen mit dabei, sondern nur die Faktoren. Dass das geht, sehen Sie daran, dass das Klonschaf „Dolly“ möglich war. Bei Dolly wurde ein Zellkern in eine entleerte Eizelle gebracht. Da waren auch keine Chromosomen von der Eizelle mehr vorhanden, aber eben eine rätselhafte Aktivität, mit der der Zellkern zurückprogrammiert wurde.

Es könnte also eine Art Jungbrunnen auf Proteinbasis geben?

Es ist die Frage, ob der Jungbrunnen in den Eizellen derselbe wie der in den embryonalen Stammzellen ist. Das wäre für die mögliche Therapie aber völlig egal. Wenn man diese Aktivität eines Tages erkannt hat, dann kann man diese Zellen vielleicht nur bis zur embryonalen Stammzelle zurückschieben, nicht bis zur Eizelle. Aber das wäre zumindest aus ethischer Sicht ohnehin eher erwünscht.

Beeinflusst diese Arbeit Ihre Versuche?

Wir haben solche Experimente schon mit der Maus angestellt. Und wir wissen anhand anderer Arbeiten, dass sogar eine Froscheizelle Zellkerne von Mäusen und Menschen umprogrammieren kann. Deshalb ist es eigentlich auch nicht verwunderlich, dass es von Mensch zu Mensch oder von Maus zu Maus auch geht. Dieser „Jungbrunnen“ ist genetisch offenbar so stark konserviert, dass er auch zwischen den Arten noch sprudelt.

Man könnte menschliche Zellen mit tierischen Faktoren umprogrammieren?

Die tierischen Faktoren könnten den Prozess starten, die menschlichen ihn dann übernehmen und fortführen.

Die US-Stammzell-Firma Geron will 2006 erstmals embryonale Stammzellen am Menschen erproben.

Geron hat beantragt, solche Zellen gegen Rückenmarksverletzungen einzusetzen. Aber ich bin sehr skeptisch. Ich halte den Zeitpunkt für eine Therapie mit embryonalen Stammzellen noch nicht für gekommen. Man sagt Geron nach, dass sie eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit betreiben, um Sponsorengeld zu werben.

Annette Schavan, die designierte Forschungsministerin einer unionsgeführten Bundesregierung, hat schon signalisiert, dass sie das strenge deutsche Stammzellgesetz nicht antasten wird.

Ich hoffe dennoch, dass man auch in Deutschland erkennen wird, welche unglaublichen Möglichkeiten embryonale Stammzellen besitzen, vor allem für das Verständnis von Krankheiten. Besonders die Arbeiten des Koreaners Hwang haben ein Potenzial, über das man sich bei uns noch gar nicht klar war, als das Stammzellgesetz beschlossen wurde.

Warum?

Hwang gelang es, Zellkerne von Patienten in Eizellen zu überführen und so embryonale Stammzellen zu erzeugen. Mit Hilfe dieser Methode versucht man nun Krankheiten in der Kulturschale zu studieren. Ian Wilmut, der Schöpfer des Klonschafs Dolly, will dies beim Nervenleiden ALS versuchen. Man kann genau sehen, wie sich Zellen des Patienten verhalten. Es wird meines Erachtens auch möglich sein, in der Kulturschale Arzneimittel auf Wirksamkeit zu testen.

Also wird das therapeutische Klonen nicht zu Behandlungsverfahren führen, sondern vor allem unser Wissen erweitern?

Für die Grundlagenforschung halte ich es nicht für nötig, mehr embryonale Stammzellen herzustellen. Weil die Therapien noch nicht in Aussicht sind, brauchen wir auch kein neues Stammzellgesetz. Viel wichtiger ist aus meiner Sicht, dass embryonale Stammzellen erhältlich sind, ohne dass man Verträge mit Firmen, wie etwa WiCell in den USA, unterzeichnen muss. Da sagt man zu, dass man ihnen Jahresberichte abliefern muss, solange man die Zellen benutzt. Indirekt unterstützt der deutsche Steuerzahler also Firmen, die die embryonalen Stammzellen hergestellt haben.

Ein neuer Stand der Forschung erfordert ein neues Gesetz?

Der Begriff therapeutisches Klonen bekommt eine zusätzliche Bedeutung. In den nächsten Jahren wird es Bahn brechende Untersuchungen in der Biomedizin nur so hageln. Will man Krankheiten besser verstehen, ist dies der Weg schlechthin. Das kann sich erst ändern, wenn man die Fusion und Trennung von adulten Zellen mit embryonalen Stammzellen beherrscht. Ich versichere Ihnen, an dieser wissenschaftlich hochinteressanten wie ethisch favorisierten Vorgehensweise arbeiten wir mit Volldampf.

Das Gespräch führte Hartmut Wewetzer.

Hans Schöler ist

Direktor am Max-Planck-Institut

für molekulare Biomedizin in Münster und der international

namhafteste

deutsche

Stammzellforscher.

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