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Gesundheit: Uni-Sportkurse locken mit exotischen Angeboten - Anmeldung am Semesterbeginn

Der Kurs dauert kaum eine halbe Stunde, doch sein Gesicht glänzt schon vor Aufregung. Professor Zorro schwitzt.

Der Kurs dauert kaum eine halbe Stunde, doch sein Gesicht glänzt schon vor Aufregung. Professor Zorro schwitzt. Er hat Spaß. Und er will, verdammt noch mal, dass auch seine Schüler in Fahrt kommen. Barfuß treten sie auf die weiche Matte, immer einer neben dem anderen. Rechtes Bein, linkes Bein, und dann einen Fuss nach oben, dorthin, wo der Gegner sich befinden könnte. Einige kneifen vor Anstrengung die Lippen zusammen. Manche schauen auf die Zehen. "Ein Capoeira-Tänzer guckt immer nach vorn", ruft Professor Zorro heiser. "Ihr solltet Euch wie Raubtiere bewegen!"

Professor Zorro sieht aus wie ein Tiger oder ein großes, feuchtes Insekt. Er zählt "eins, zwei, drei" und feuert die Schüler zu komplizierten Sequenzen an. Langsam bilden sich auf den T-Shirts Schweißflecken. Angefangen haben sie mit simplen Aufwärmübungen. Dann folgte eine Art Handstand. Nein, kein richtiger Handstand, verbessert Professor Zorro sofort. Vielmehr eine Figur, die aus der Bewegung heraus vollführt wird. Bei dieser Kampfkunst "lässt man den Gegner ins Leere laufen", erklärt er. Dass nur ja nichts falsch verstanden wird, wenn es um Capoeira geht. Der Mann mit dem Ring im Ohr buchstabiert die portugiesischen Wörter. Die "B-e-r-i-m-b-a-u" zum Beispiel ist ein "bogenähnliches Rhythmusinstrument". Und die Capoeira-Musik "versetzt die Spieler in Trance und verleiht ihnen außergewöhnliche Kraft und Eleganz". Nach etlichen Aufenthalten in Brasilien kennt Zorro die Capoeira-Welt in- und auswendig. "Capoeira beinhaltet alle möglichen Aspekte - Tanz, Kampf, Akrobatik, Musik, Poesie", diktiert er mit wichtiger Miene.

Der 38-Jährige leitet zwei Capoeira-Kurse an der Humboldt-Universität. Seit anderthalb Jahren steht die rasante Kampfkunst dort auf dem Programm. Die Zeiten, da Studenten sich mit Handball oder Boxen zufrieden gaben, sind längst vorbei. Es wird immer exotischer, die Sportverzeichnisse der Berliner Unis strotzen vor seltsamen Begriffen. Welcher Normalsterbliche weiß schon, was Eurythmie ist, Clogging oder Qwan-Ki-Do? Der moderne Student ist anspruchsvoll. Heutzutage hat er ja die Möglichkeit, Disziplinen wie Capoeira im Ursprungsland kennen zu lernen - sofern er einen reichen Papa hat oder im Lotto gewonnen.

Professor Zorros Temperament steckt an. "Capoeira geht ins Blut", sagt er und erklärt, wie sie im 16. Jahrhundert von Sklaven erfunden wurde. Vor der brutalen Ausbeutung flüchteten sie in die Wälder und gründeten dort versteckte Siedlungen. Um sich vor den professionellen Jägern zu schützen, entwickelten sie eine Technik, sich ohne Waffen zu verteidigen. Schnell, ungeheuer geschmeidig und clever musste ein Capoeira-Mann sein. Er konnte mit dem Fuss den Kopf des Gegners verletzen und schützte sich selbst durch geschickte Drehungen. Jetzt ist Capoeira neben Fussball brasilianischer Nationalsport. Auch die als steif verschrieenen Deutschen können ihn lernen, betont Lourival Santos, ein 23-jähriger Brasilianer: "Sie sind nicht weniger talentiert als andere."

In Lateinamerika begeistern sich sogar 80- Jährige für Capoeira. Das dient heute längst nicht mehr vorrangig der Selbstverteidigung. Capoeira ist Tanz, Sport, Theater. Beim Kurs an der Humboldt-Uni soll natürlich niemand verletzt werden. Professor Zorro sagt, dass die Leute miteinander "spielen". Der Gegner ist gleichzeitig Partner. "Es ist ein Spiel mit ernstem Hintergrund." Zorro leitet in Berlin eine Capoeira-Schule, die "Capoeira Gerais Berlin". Sie gehört zu einer Gruppe im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Die wurde von einem Mann gegründet, den Zorro ehrfürchtig "Meister Mfao Branca" nennt. Er selbst, sagt Zorro, unterrichte heute Schüler aus ganz Berlin. Lourival Santos sei dabei sein Partner. Den Studenten der Humboldt-Uni erklärt Zorro auch die Capoeira-Riten. Die sehen so aus, als wollten sie vor allem Spaß haben.

Warum eigentlich Zorro? Der Mann heißt im bürgerlichen Leben Thomas Heerde und hat als Tänzer in New York, Wien und Berlin gelebt. Er mochte Jazz, Modern Dance und Afro, bis ihn eines Tages das Capoeira-Virus befiel. Jetzt wird er Zorro genannt, und Lourival Santos "Canguru". "Jeder Capoeira-Tänzer hat einen solchen Namen", sagt Professor Zorro. Professor bedeutet: Heerde ist der Lehrer. Und Zorro erinnert daran, dass er unter der heißen Sonne Brasiliens in schwarzen Klamotten herumgelaufen ist. Wie der Held in dem berühmten Mantel-und-Degen-Film. Nur dass zum Capoeira keine dunkle Maske gehört.

Bei der Einschreibung für die Sportkurse legen Studenten ihre Immatrikulationsbescheinigung vor, Uni- Mitarbeiter einen Nachweis, dass sie an der Hochschule angestellt sind. Mit dem Berliner Studentenausweis kann man sich in der Regel auch für Angebote der anderen Hochschulen registrieren lassen. Humboldt-Universität: Anmeldung vom 18. bis 22. Oktober, 17 bis 19 Uhr in der Sporthalle Am Weidendamm 2/3. Gezahlt wird bargeldlos durch Überweisung. Telefon: 2093 5502. Freie Universität und Technische Fachhochschule: 23. Oktober, 11 bis 15 Uhr in der FU-Mensa am Kiebitzweg. Außerdem ist die schriftliche Anmeldung möglich, sobald das Sportprogramm erschienen ist. Telefon: 838 3320 (FU) oder 4504 2205 (TFH). Technische Universität: ab 18. Oktober. Die Termine sind je nach Sportart unterschiedlich. Das Sportprogramm liegt beim Pförtner im TU-Hauptgebäude oder im Sekretariat des Hochschulsports aus, Straße des 17. Juni 135, Gebäude V, Zimmer 202. Informationen im Internet: www.tu-berlin.de/sport/ . Universität Potsdam: bereits ab 4. Oktober. Am Neuen Palais, Haus 5, Zimmer 006, Telefon: 0331-977 1261.

Josefine Janert

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