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Gesundheit: Unis in Unruhe

Die Sorge wächst, mit dem Elitewettbewerb könnte eine Zweiklassengesellschaft entstehen

Der Mann will seinen Namen und den seiner Uni auf keinen Fall in der Zeitung lesen. Nicht mal die Himmelsrichtung, in der sich die Hochschule befindet, darf genannt werden. „Sie werden verstehen, für uns geht es um sehr viel“, sagt der Uni-Präsident. Wer mit der Presse spricht, könnte sich im Elitewettbewerb schaden, indem er einflussreiche Personen verärgert, befürchtet der Professor und übt seine Kritik am Wettbewerb lieber anonym: „Man hätte den Geisteswissenschaften gleich sagen müssen: ,Bewerbt euch nicht.’ Nun herrscht viel Frust.“ Auch irritiert den Präsidenten, dass die Juroren mit „internationaler Sichtbarkeit“ offenbar die Bekanntheit der Forscher in den USA meinten. Ob man anderswo in der Welt einen großen Namen habe, sei offenbar „unerheblich“.

Viele Wissenschaftler blicken inzwischen mit gemischten Gefühlen auf den Exzellenzwettbewerb, dessen zweite Vorrunde am Freitag entschieden wird. Manchen behagt die Bevorzugung der Natur- und Technikwissenschaften nicht, andere halten das Auswahlverfahren für verbesserungswürdig. Wieder andere sehen im Exzellenzwettbewerb, in dem an siegreiche Universitäten insgesamt 1,9 Milliarden Euro von Bund und Ländern fließen sollen, sogar ein Danaergeschenk. Der Wettkampf um die Elite könnte zu einer Zweiklassengesellschaft unter den Hochschulen führen und damit bestehende Stärken des deutschen Systems zerstören. So prognostizierte unlängst Herfried Münkler, Politologe an der Humboldt-Universität, bald werde Deutschland eine „Unterschichtendebatte“ um die Universitäten führen.

Kurt Kutzler, Präsident der Technischen Universität Berlin, stellt eine „gewisse Unruhe“ unter den Universitäten fest. Zwar erfreue sich der Elitewettbewerb „grundsätzlich einer hohen Akzeptanz“. Doch werde befürchtet, dass er nicht nur zu Qualitätssteigerungen, sondern auch zu einem „erheblichen Qualitätsverfall auf breiter Ebene“ führen werde. Ursache sei die Unterfinanzierung der Hochschulen. Ein Kreis von sechs bis womöglich zehn Eliteunis sei zu klein, um den in Deutschland erkennbaren Bedarf an wissenschaftlichem Nachwuchs und an Spitzenforschung zu decken. „Überträgt man die Verhältnisse in den USA auf Deutschland, so brauchen wir mindestens 20 Universitäten von wissenschaftlichem Rang.“ Für eine solche breite Exzellenz reiche das Geld aber nicht annähernd aus.

Siegfried Wolffram, Prorektor der Universität Kiel, hält die dritte Förderlinie, die ganze Unis unterstützt und den eigentlichen Elitestatus ausmacht, angesichts der Risiken für das deutsche Hochschulsystem für fragwürdig: „Es gibt keine Uni, die in allen Fachbereichen Spitze ist, auch in den USA nicht“, sagt der Ernährungsphysiologe.

Ähnliche Gedanken macht sich der Konstanzer Biologe Hubert Markl, einst Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Es werde der Wissenschaft mehr schaden als nutzen, wenn in Zukunft „einige wenige Spitzenuniversitäten mit Förderung überschüttet werden, die dann von den Länderfinanzministern den anderen, weil offenkundig so viel schlechteren dafür vielleicht gleich mehrfach abgezogen wird“, schreibt Markl in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift „Novo. Magazin für Zukunftsdenker“. Dabei könnten sich die Finanzminister dann sogar noch auf die objektiven Beurteilungen der DFG und des Wissenschaftsrats berufen.

Ein „höchst ambivalentes“ Ereignis verspricht der Exzellenzwettbewerb aber selbst für siegreiche Universitäten zu werden, wie die Wissenschaftlerin einer großen Hochschule sagt. Denn nicht nur bundesweit, auch innerhalb einer Uni werde der Wettbewerb zu einer deutlichen Konzentration der Mittel führen. Auch in der Hochschule könne deshalb eine Zweiklassengesellschaft entstehen: Während die an Exzellenzprojekten beteiligten Forscher von der Lehre entlastet, ja freigestellt werden, kämpfen andere Professoren mit dem neuen Studentenberg. Der Kieler Vizerektor Wolffram hält die Aufkündigung der Einheit von Forschung und Lehre im Elitewettbewerb für falsch: „An einer Universität darf die Lehre von der Forschung nicht getrennt werden.“

Die siegreichen Unis werden die Folgen des Wettbewerbs aber nicht nur in der Lehre spüren. Dort, wo nicht mit Mitteln aus der Exzellenzinitiative geforscht werde, könnten die Ressourcen in Zukunft generell „etwas dünner“ werden, meint die Wissenschaftlerin – etwa bei den Geistewissenschaften, aber auch innerhalb eines Faches. In der Physik etwa könnten diejenigen Forscher Vorfahrt bei der Ausstattung bekommen, die mit Elitegeld gefördert werden. Solche Verschiebungen innerhalb der Unis werde es zumal dann geben, wenn die mit den Exzellenzmitteln teuer eingekauften Professuren nach Auslaufen der Fördermittel verstetigt werden müssten. Um das zu finanzieren, müssten womöglich andere Bereiche abgespeckt werden – ein Staubsaugereffekt. Schon heißt es deshalb aus einer Uni hinter vorgehaltener Hand: „Wir sind eigentlich ganz erleichtert, dass wir nicht noch einen Cluster gewonnen haben. Das wäre für unsere Hochschule gar nicht leicht zu verkraften gewesen.“

Angesichts der Tragweite des Wettbewerbs müssten die Wissenschaftler in den Kommissionen der DFG und des Wissenschaftsrats eine „solide und unangreifbare“ Entscheidung treffen, sagt TU-Präsident Kutzler: „In der ersten Runde war manches nicht immer ganz durchsichtig.“ Es gebe ein „Problem der Transparenz“. Universitäten, deren Projekte trotz guter Vornoten schließlich abgelehnt wurden, müsse das in Zukunft nachvollziehbar begründet werden. „Sonst leidet das Ansehen des weltweit anerkannten deutschen Systems der selbstverwalteten Forschungsförderung.“ Die TU Berlin hatte als einzige Berliner Uni in der ersten Wettbewerbsrunde einen Cluster weit nach vorn gebracht. Jedoch hatten schließlich Cluster anderer Unis mit schwächeren Vornoten, besonders der späteren Eliteunis München und Karlsruhe, das Rennen gemacht.

Kiels Prorektor Wolffram sagt zu den Vorgängen: „Es besteht durchaus der Eindruck, dass in der ersten Runde des Wettbewerbs Entscheidungen über Cluster nicht allein nach der wissenschaftlichen Exzellenz der Anträge getroffen wurden.“ Stattdessen sei „ein bisschen gebogen“ worden, um Clustern der von der Jury gewollten Eliteunis zu helfen. Auch ein vielversprechender Kieler Cluster war zum Schluss überraschend gescheitert.

Gesine Schwan, Präsidentin der Viadrina, hält das Verfahren für richtig: „Es ist naiv anzunehmen, dass wissenschaftliche Projektförderungen in dieser Größenordnung allein nach wissenschaftlichen Exzellenzkriterien vergeben werden können.“ Es sei offensichtlich und durchaus legitim, dass „Wertentscheidungen mit ins Spiel“ kämen. Dazu gehöre bei der Exzellenzinitiative ausdrücklich „die hohe Wertschätzung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft“.

Nach welchen Kriterien tatsächlich entschieden wird, wenn die Exzellenz der Anträge nicht allein den Ausschlag gibt, wollen die Uni-Präsidenten nun genauer wissen. In einem internen Papier der Universitäten innerhalb der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fordern sie, dass die Kriterien und die Beurteilungen der Gutachter „durchgehend konsistent, transparent und klar formuliert sind“.

In dem Papier, das aus einem Treffen der Uni-Rektoren im Dezember in Gießen hervorging, wird auch gefordert, strittige Anträge müssten „in allen Entscheidungsgremien“ diskutiert werden – also auch mit den Politikern im Bewilligungsausschuss. In der ersten Runde des Wettbewerbs hatten die Spitzen von DFG und Wissenschaftsrat eine Mitsprache der Politik unterbunden, um die Politikferne der Auswahl zu demonstrieren. Peter Hommelhoff, Rektor der Uni Heidelberg und Sprecher der Unis in der HRK, hält einen „offenen Dialog“ mit der Politik jedoch für zwingend: „Es geht um fast zwei Milliarden Euro. Die Politik ist den Wählern über die Verwendung der Mittel Rechenschaft schuldig.“ Regionalpolitische Erwägungen dürften aber trotzdem nicht zum Auswahlkriterium werden.

Aus Kutzlers Sicht bedeutet das: „Der Verdacht muss ausgeräumt werden, dass das Geld da hinfließt, wo am meisten ist, nach Bayern und Baden-Württemberg.“ Ausschlaggebend für die Bewilligung eines Projektes sollten ausschließlich die Leistungen der Wissenschaftler und die Qualität der Projektvorschläge sein.

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