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Gesundheit: Unis sind keine Wärmehallen

Von George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

Neue Prognosen besagen, dass die Gesamtzahl der Studierenden in spätestens zehn Jahren von derzeitig knapp 2 Millionen auf 2,7 Millionen gestiegen sein wird. Man kann ziemlich sicher sein, dass der berechtigte Ruf nach „mehr Geld“ nicht in dem erforderlichen Umfang erhört werden wird.

Was dabei herauskommt, wenn man einen Studentenberg „untertunneln“ will, haben die bis heute wirkenden Erfahrungen nach 1977 gezeigt, als die Öffnung der Hochschulen zum obersten Prinzip in Bund und Ländern erklärt wurde: Überfüllte Universitäten, als zeitweilige Überlast deklariert, die sich als dauerhafte Erscheinung erwiesen hat. Dennoch werden alle Forderungen nach einer besseren Ausstattung angesichts der finanziellen Gesamtsituation nicht viel fruchten. Will man nicht im Chaos untergehen, helfen nur drastische Maßnahmen. Dabei befinden sich die Hochschulen gerade in einem Prozess, in dem die Studiengänge umgekrempelt werden (sollen). Die Umstellung auf ein gestuftes Studiensystem mit Abschlüssen von Bachelor und Master gibt die Chance, den Studierwilligen eine Ausbildung anzubieten, die in kürzerer Zeit zu durchlaufen ist.

Es ist abzusehen, dass nicht alle Studienberechtigten sich einen Studienwunsch, schon gar nicht in jedem angestrebten Fach, werden erfüllen können. Das führt zu der berechtigten Sorge, dass damit auch Potenzial, gemeinhin Humankapital genannt, ungenutzt bleibt. Ebenso ist unbestritten, dass Chancen verwehrt werden, wie dies auch außerhalb des akademischen Bereichs der Fall sein kann, wenn der begehrte Ausbildungsplatz nicht verfügbar ist. Angesichts von Abbrecherquoten und Scheitern beim Abschluss kann nicht bestritten werden, dass ein Teil der Studierenden nicht die Voraussetzungen für ein Studium aufweist. Da Hochschulen nicht zu Wärmehallen verkommen dürfen, sondern nur denjenigen offen stehen sollten, welche die Voraussetzungen für ein Studium mitbringen, ist auch diese andere Seite der Medaille zu betrachten.

Deshalb werden sie um Zulassungsbeschränkungen und Aufnahmeprüfungen nicht herum kommen. Die Ausstattung der Hochschulen muss verbessert werden, aber nicht grenzenlos, sondern orientiert an den Zahlen der Studierfähigen, nicht der lediglich formal Berechtigten. Unter solchen Aspekten ist auch die Zahl 2,7 Millionen noch einmal zu betrachten.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail schreiben: g.turner@tagesspiegel.de

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