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Gesundheit: Viren als Ursache von Tumoren

Zum Tod des Berliner Krebsforschers Arnold Graffi

Mit 96 Jahren ist er nach langer Krankheit in seinem Haus in Karow friedlich eingeschlafen: Arnold Graffi, einer der Pioniere der experimentellen Krebsforschung, der von Berlin-Buch aus jahrzehntelang dieses wichtige Wissenschaftsgebiet weit über die DDR hinaus befruchtete und bereicherte.

Der Forscher begann schon als junger Assistenzarzt in der Sauerbruch’schen Klinik an der Charité mit Untersuchungen über die Entstehung bösartiger Tumoren. Mit originellen Methoden vermochte er wesentliche Prozesse der Einwirkung krebserregender Chemikalien aufzuklären und darauf aufbauend bereits 1940 eine Mutationstheorie der Krebsentstehung aufzustellen – Jahrzehnte vor den Erkenntnissen der Molekularbiologen über die Rolle des Erbmaterials bei der bösartigen Entartung.

Zentrales Thema in Graffis Arbeit war ab Anfang der 1950er Jahre die mögliche Beteiligung von Viren bei der Entstehung von Geschwülsten. Auch darüber hatte Graffi bereits als Assistent von Sauerbruch gearbeitet. In Berlin-Buch begann er dieses Thema immer intensiver zu erforschen, bis schließlich die Tumorviren im Mittelpunkt der Arbeiten in Graffis Gruppe standen. In diesem Rahmen wurde von Graffi und seinen Mitarbeitern eine ganze Reihe von tierischen Tumorviren entdeckt, darunter ein später nach ihm benannter Erreger.

Graffi war aber nicht nur ein exzellenter Wissenschaftler, sondern auch ein warmherziger und fürsorglicher Chef. Er und seine ihm bis zur letzten Stunde aufopferungsvoll zur Seite stehende Frau und Mitarbeiterin Inge waren immer mit Rat und Tat für die Mitarbeiter da, vor allem auch in schwierigen Lebenslagen. So sorgte er als unser Chef beispielsweise dafür, dass drei von uns, die Mitte der 1950er Jahre die SED verließen – auch er war seit 1950 ein „Ex-Genosse“ – nicht das Akademie-Institut mit seinen vergleichsweise guten Arbeitsbedingungen verlassen mussten. Ganz sicher war es vor allem auf das hervorragende wissenschaftliche und menschliche Klima zurückzuführen, dass keiner seiner Mitarbeiter der Versuchung erlag, in den Westen zu gehen und dort unter ungleich besseren Bedingungen zu arbeiten.

Das mag ein Grund dafür sein, dass man Graffi und seine Leute auf ihrer unpolitischen Insel der Seligen relativ ungeschoren gewähren ließ. Im Gegenteil: Graffi wurde schon zu DDR-Zeiten hoch geehrt. Sowohl die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin als auch die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ernannten ihn zu ihrem Mitglied. Selbst den Paul-Ehrlich-Preis nahm er 1979 aus der Hand von Bundespräsident Walter Scheel in Empfang – aber das durfte in der DDR nicht öffentlich werden. Im neuen Deutschland wurde er 1995 mit dem Großen Verdienstkreuz ausgezeichnet.

Erhard Geißler

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