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Gesundheit: Von Punkt zu Punkt

Berliner Langzeitstudenten sollen „Credit Points“ kaufen – doch die gibt es noch gar nicht überall

Von

Von Sabine Beikler

und Anja Kühne

Wissenschaftssenator Thomas Flierl will mit seinem Studienkontenmodell fünf Millionen Euro pro Jahr einnehmen. Schon zum Wintersemester 2004 /2005 will er dieses Studienkonto einführen. Die SPD dagegen hält an ihrer Forderung nach Studiengebühren für Langzeitstudierende und für Zweitstudien fest. Geschätzte jährliche Einnahmen: 20 Millionen Euro. Wer wird sich durchsetzen?

Mit dem Studienkonto will Flierl die Studierenden motivieren, ihr Studium schnell abzuschließen. Zu Beginn des Studiums erhält jeder Student „Credit Points“, Leistungspunkte für ein kostenloses Studium in der Regelstudienzeit. Flierl rechnet mit zehn Semestern Regelstudienzeit: ein dreijähriger Bachelor- und ein zweijähriger Masters-Studiengang. Wenn das Studium auch vier Semester später nicht abgeschlossen ist, muss der Student neue Kreditpunkte kaufen, um weiter studieren zu dürfen. Zurzeit sind 500 Euro pro Semester geplant. Die zu zahlenden Gebühren sollen anteilig in die Kasse der Hochschule und des Landes gehen. Für alle anderen Studiengänge – Magister, Diplom und Staatsexamen-Studien – soll nach internen Plänen der Wissenschaftsverwaltung die doppelte Regelstudienzeit gelten. Erst danach werden Gebühren fällig.

Sollte sich Rot-Rot für die Einführung der Studienkonten entscheiden, werden ab Wintersemester 2004 alle Studenten im Grundstudium betroffen sein. Wer innerhalb der Regelstudienzeit bleibt, hat einen Bonus und ist berechtigt, weitere Studienangebote wahrzunehmen wie ein Postgraduiertenstudium. Die Promotion soll nach Auskunft der Wissenschaftsverwaltung weiterhin kostenfrei sein. Mit dem Modell will Flierl auch die Leistungen der Unis besser überprüfen: Wenn die Hochschulen viele Kreditpunkte von den Studenten abbuchen, zeigen sie damit Leistung und werden finanziell belohnt.

An den Hochschulen stößt Flierls Vorschlag auf Skepsis. Müssten die Universitäten tatsächlich genau registrieren, wie viele seiner Kreditpunkte ein Student bereits aufgebraucht hat, wären sie gezwungen, einen großen Verwaltungsaufwand zu treiben, sagt Dieter Lenzen, der Präsident der Freien Universität. Die Studenten müssten womöglich teure Plastik-Kreditkarten haben, auf denen ihr Studienguthaben verbucht wird.

Doch die Probleme begännen schon viel früher, wie Kurt Kutzler, der Präsident der TU, zu Bedenken gibt. Flierl koppelt die Gebühren für Langzeitstudenten an die Kreditpunkte, die für einzelne Kurse vergeben werden. Doch haben die Universitäten noch längst nicht alle Kurse mit Kreditpunkten nach dem European Credit Transfer System (ECTS) bewertet. „Wann überall Kreditpunkte vergeben werden können, steht in den Sternen“, sagt Kutzler: „Der Vorschlag ist fernab jeder Realität.“ Die Hochschulen haben die Leistungspunkte eingeführt, um den Arbeitsaufwand, der mit einzelnen Lehrveranstaltungen verbunden ist, zu bewerten und international vergleichbar zu machen.

Selbst wenn sich der Senat schließlich für die leicht machbaren allgemeinen Studiengebühren für Langzeitstudenten entscheiden würde, hielte Kutzler das für fragwürdig. Er warnt vor dem „Verdampfungseffekt“. Die Studenten würden schnell in andere Bundesländer abwandern oder das Studium abbrechen. In nur zwei Jahren fielen die Einnahmen völlig weg, wie das Beispiel Baden-Württemberg zeige (siehe Kasten).

Auch Jürgen Mlynek, der Präsident der Humboldt-Universität, hält die Idee Flierls „für nicht gut durchdacht“: „Der Senat sollte sich lieber darum kümmern, wie die Finanzierung sichergestellt werden kann.“

Flierl hat seine Pläne nicht mit Brandenburg abgesprochen, wie ein Sprecher der Wissenschaftsverwaltung sagte. Allerdings sei nicht zu befürchten, dass Berliner Gebührenflüchtlinge Brandenburg überrennen. Im nächsten Jahr soll ein Teil der Mittel nach Leistung an die Brandenburger Hochschulen verteilt werden. Dann büßen sie Geld für Langzeitstudierende ein – werden sie also gar nicht erst aufnehmen. Außerdem plane die Brandenburger Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) mittelfristig ebenfalls Studiengebühren einzuführen. Für ein bestimmtes Modell habe sie sich allerdings noch nicht entschieden.

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