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Gesundheit: Warten auf das große Beben

Warum große Städte anfälliger für Katastrophen werden

Hunderttausende von Menschen durch herabstürzende Trümmer erschlagen, dreimal so viele verletzt und zum großen Teil auch verschüttet, die anderen irren hilflos durch die zerstörten Straßen, Hitze oder Kälte ausgesetzt, ohne Trinkwasser. Milliarden von Dollar direkter Schaden, die Wirtschaft des betroffenen Staates lahmgelegt, die Weltwirtschaft im Schock: Das Szenario eines Erdbebens, wie wir es noch nicht erlebt haben. Doch mit jedem Jahr wächst die Gefahr, dass es eintritt – das befürchten Fachleute, die sich noch bis heute zum 3. Forum Katastrophenvorsorge am Potsdamer Telegrafenberg beim Geo-Forschungs-Zentrum Potsdam eingefunden haben.

Er habe sich ein solches Schreckensbild noch vor kurzem nicht vorstellen können, sagt Gerhard Berz, Leiter des Fachbereichs Geo-Risikoforschung bei der Münchener Rückversicherungsgesellschaft. Aber nach dem Attentat auf das World Trade Center, angesichts der dortigen Folgen, schätze er die Gefahren nun anders ein. Entsprechende Prognosen über die Schäden, die ein zu erwartendes Erdbeben etwa in der 19-Millionen-Metropole Tokio anrichten könnte, hält er nun nicht mehr für übertrieben.

Es sind mehrere Ursachen, die eine solche Katastrophe wahrscheinlicher werden lassen. Denn obschon der Mensch die Naturgewalten nicht beeinflussen kann, verschärft er doch das Risikopotenzial. Die Durchschnittsbevölkerung der 100 größten Städte der Welt wuchs von 2,1 Millionen Einwohner im Jahr 1950 auf heute 5,1 Millionen, rechnet Ben Wisner vor, Katastrophenforscher und Dozent an der London School for Economics. Inzwischen gibt es 28 „Megacities", in denen mehr als acht Millionen Menschen leben. Und große Städte sind anfälliger für Katastrophen, sie sind verwundbarer.

Bauvorschriften missachtet

Vor allem in den Schwellenländern zieht die Hoffnung auf Arbeit und Wohlstand die Landbevölkerung in die Stadt – daher liegen 80 Prozent der Megacities in Ländern, in denen noch weitgehende Armut herrscht. Angesichts der Wohnraumnot sind die Behörden machtlos, es wird schlecht und „wild" gebaut, die Vorschriften missachtend. Zudem ist die Besiedelungsdichte dort viel größer – die Straßen enger bebaut, die Wohnungen von wesentlich mehr Menschen genutzt. Menschen, die sich oft illegal in dem Land aufhalten, schlecht bezahlte Arbeiten verrichten. Das gilt auch für die USA: Von 500 Personen, die im Trade Center umkamen, ließen sich keine Dokumente finden. 1991 starben in Florida durch den Hurrikan Andrew zahllose Illegale aus Haiti, berichtet Wisner.

Und die Versicherer? Sie richten sich auf immer teurere Schäden ein. Denn die Menschen lassen sich meist dort nieder, wo es schon größere Ansiedelungen gibt – ungeachtet der Naturgefahren. Auch das gilt übrigens für beide Seiten des Pazifiks. Berz zeigt das Foto eines „Parkregals“ für Boote am Strand von Miami: aus Platzmangel entstanden allenthalben leichte, drei- und mehrstöckige Anlagen für die Aufbewahrung privater Motoryachten und Schnellboote, jedes Gefährt bis zu 100 000 Dollar teuer. „Leicht auszurechnen, wie hoch der Schaden ist, sollte hier ein kräftiger Sturm hineinfahren“, kommentiert der Versicherungsmann.

Die Assekuranzen nehmen inzwischen die Gefahr des Klimawandels und der damit verbundenen Zunahme der Witterungsextreme sehr ernst, sie zählen mittlerweile zu den eindringlichen Verfechtern jener Ziele, die in Kyoto und Johannesburg festgelegt wurden.

Und wie kann man vorsorgen? Auch Wisner verweist auf die Ziele von Johannesburg. Zudem müsste der Katastrophenschutz in potenziell bedrohten Gebieten dezentralisiert, vernetzt werden – auf unterster Ebene, in den Bezirken. Das alte Notfallmanagement, das nach militärischen Strukturen des Befehls und der Kontrolle ausgerichtet ist, habe jedenfalls ausgedient. Gideon Heimann

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