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Gesundheit: Warum wird man im Alter weitsichtig?

„Ich lese den Tagesspiegel seit 25 Jahren.“ Wahrscheinlich betrachtet Frau P.

„Ich lese den Tagesspiegel seit 25 Jahren.“ Wahrscheinlich betrachtet Frau P. die Geschehnisse in der Welt heute mit größerem Abstand als damals: Sie liest die Zeitung mit ausgestreckten Armen. Und schon bald werden diese Arme zu kurz sein, um noch irgendeinen Buchstaben scharf sehen zu können. Es sei denn, Frau P. entschließt sich mit Anfang fünfzig endlich dazu, eine Lesebrille aufzusetzen.

Eine Dioptrie könnte am Anfang genügen, in zehn Jahren werden es vielleicht drei Dioptrien sein. Mit der Zeit büßt die Linse in unserem Auge ihre Elastizität ein. Und damit verlieren wir die Fähigkeit, nahe Gegenstände zu fokussieren.

Die Linse führt parallele Lichtstrahlen in einem Punkt auf unserer Netzhaut zusammen. In jungen Jahren schaltet sie mit Hilfe eines Ringmuskels mühelos von Fern- auf Nahsicht um: Der Muskel zieht an der flexiblen Linse, so dass sie sich wölbt. Infolge dieser Krümmung werden eintreffende Lichtstrahlen stärker gebrochen, der Fokus verschiebt sich nach vorne.

Im Alter sperrt sich die Linse zunehmend gegen diesen Wechsel von Weit- zu Nahsicht. „Die Linse wächst ein Leben lang“, sagt Gerd U. Auffarth, stellvertretender Direktor der Universitätsaugenklinik Heidelberg. In dem Gewebe entstehen ständig neue Fasern, die sich wie die Jahresringe eines Baumes in dünnen Schichten übereinanderlegen. Da sie während dieser Zeit jedoch keine alten Fasern abstößt, wird die Linse immer dicker. „Damit wird sie auch härter und unflexibler.“ Die Alterssichtigkeit setzt ein.

Schon im 13. Jahrhundert benutzten Mönche „Lesesteine“, um im Alter weiterhin lesen zu können. Die gewölbte Seite dieser Lesesteine aus Quarz, Bergkristall oder Beryll vergrößerte einzelne Wörter: daher der Name der Brille, ursprünglich für zwei aus Beryllen geschliffene Linsen.

Die Weitsichtigkeit in jungen Jahren hat eine andere Ursache als die Alterssichtigkeit: Der Augapfel ist – gemessen an der Brechkraft von Hornhaut und Linse – zu kurz. Ferne Gegenstände kann man damit zwar noch ganz gut erkennen, nahe Objekte aber nur unscharf, denn der Brennpunkt liegt hinter der Netzhaut. Konvex geschliffene Brillengläser rücken den Fokus des Weitsichtigen wieder nach vorne auf die Netzhaut.

Eine Auswahl von 101 „Aha“-Kolumnen von Thomas de Padova ist soeben im Piper-Verlag unter dem Titel „Die Kinderzimmer-Akademie“ (176 Seiten, 14,90 Euro) erschienen.

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