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Gesundheit: Was ein „Befriedigend“ wert ist

Auslandssemester werden an der Heimat-Uni angerechnet. Aber noch misst Europa Leistung nicht mit einer gemeinsamen Elle

Erasmus von Rotterdam hat es vorgemacht. Der Humanist zog von einer europäischen Universität zur nächsten und ist damit der Vorreiter aller Studierenden, die heute einen Teil ihres Studiums im Ausland verbringen. Seit 1987 haben über eine Millionen das von der Europäischen Union initiierte Programm zur Bildungsmobilität „Erasmus“ genutzt – und waren bei ihrer Rückkehr oft enttäuscht, weil im Ausland erbrachte Leistungen nicht ohne weiteres an der Heimathochschule anerkannt werden.

Hier verspricht zwar das European Credit Transfer System (ECTS) Hilfe, das seit 1989 besteht und im Zuge der Studienumstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge aktueller denn je ist. Doch noch herrscht in Europa trotzdem keine Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen – und folglich fühlen sich die Studierenden oft nicht gerecht behandelt.

ECTS ist ein Kreditpunktesystem, das auf dem erbrachten Arbeitsaufwand des Studierenden basiert. Ein Punkt soll einem Arbeitsaufwand von 25 bis 30 Stunden entsprechen, ein Semester 30 Kreditpunkte umfassen. Auf diese Weise könne die Studienleistung des Auslandssemesters auch ohne langwierige Übersetzung der im Ausland erbrachten Scheine bewertet werden, wobei jede Universität den Arbeitsaufwand der angebotenen Veranstaltungen in Punkten angibt.

Einige Universitäten bieten ihren Austauschstudenten ein Studienpaket an, das genau 30 Punkte umfasst und den Studierenden das Auswählen von Veranstaltungen erspart. So macht es Schweden. „Alles war sehr gut organisiert“, sagt Elena Knaack, die ein Semester im schwedischen Linköping verbracht hat. Sie bekam sogar eine zweisprachige Notentabelle, damit sie sich die Noten in Deutschland anrechnen lassen konnte. Und das, obwohl in Schweden normalerweise keine Noten vergeben werden.

Doch nicht alle ausländischen Universitäten sind so vorbildlich auf die Bedürfnisse der Gaststudenten eingestellt. „In der Vergangenheit wurde der Arbeitsaufwand von den Lehrenden kalkuliert, eine Evaluierung des studentischen Arbeitsaufwandes erfolgte bisher nicht“, weiß Margret Schermutzki, ECTS-Expertin von der Fachhochschule Aachen. Darum seien Kredite häufig auf der Basis von Semesterwochenstunden vergeben worden, sodass es Fälle gebe, in denen Studierende über zehn Kurse bestehen müssten, um auf 30 Punkte zu kommen. Die Punkte werden nämlich nur bei erfolgreicher Teilnahme vergeben, die oft Klausuren oder Hausarbeiten voraussetzt. Vor- und Nachbereitung des Unterrichts oder Prüfungsvorbereitungen würden außer Acht gelassen werden.

Da ECTS-Punkte nur den Arbeitsaufwand widerspiegeln sollen, müssen parallel dazu noch Noten vergeben werden, damit die Leistung auch bewertet werden kann. Wenn es in einem Land wie Schweden jedoch keine Noten gibt, kann man damit rechnen, dass Noten, die extra für Austauschstudenten gemacht werden, besser ausfallen. In Frankreich hingegen wird beispielsweise selten die Höchstnote gegeben. Ein französisches „Befriedigend“ entspricht einem deutschen „Gut“. Das wird in den Umrechnungsschlüsseln der Heimatuniversität jedoch nicht berücksichtigt. „Obwohl ich in einigen Fächern unter den Besten war, sieht mein Zeugnis aus italienischer Sicht jetzt schlecht aus“, ärgert sich der Italiener Mirko Coleschi, der vier Monate in Frankreich studiert hat.

Problematisch ist die Anrechnung ausländischer Studienleistungen auch für Studierende, deren Curriculum genau vorgeschrieben ist, wie es etwa bei Medizinern oder Juristen der Fall ist. Das mussten auch Giacomo und Andrea aus Italien feststellen. Die beiden kamen nach Berlin, um hier Zahnmedizin zu studieren. Da das nationale Curriculum aber ganz anders ist, können sie sich ihre Leistungen aus Deutschland nicht anrechnen lassen. „Ich bin daher während meiner Zeit in Berlin nach Italien geflogen, um dort die Examen mitzuschreiben“, sagt Andrea.

Margret Schermutzki rät jedem Studierenden, vor dem Auslandsaufenthalt mit dem zuständigen ECTS-Fachbereichskoordinator und dem Studienberater zu sprechen, um sicherzustellen, dass die im Ausland erbrachten Leistungen auch anerkannt werden. „Außerdem sollten sich die Studierenden von den 30 ECTS-Punkten nicht zu sehr verunsichern lassen. Denn auch Sprachkurse oder Ähnliches sind anrechenbar“.

Anja Casper

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