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Gesundheit: Was richtig ist

Der Wissenschaftsrat will die Nationale Akademie – wer noch?

Ganz Deutschland kennt seine Superstars. Als Daniel K. unter einen Gurkenlaster gerät, erfährt es die Nation noch am selben Abend in der Tagesschau. Wird Deutschland jetzt endlich auch seine Superhirne kennen lernen? Etwa hundert führende Wissenschaftler aller Disziplinen sollen in eine Nationale Akademie berufen werden, hat der Wissenschaftsrat kürzlich empfohlen. Sie könnten die Gesellschaft in wichtigen Zukunftsfragen beraten. Ist Genfood eine Gefahr? Wie soll es weitergehen mit der Atomkraft? Brauchen wir eine Marsmission? Mit einer Stimme wird die deutsche Wissenschaft dann reden – auch gegenüber dem Ausland.

Altehrwürdigen Institutionen wie der britischen Royal Academy wollen die Deutschen mit einer effizienten Mannschaft gegenübertreten: Keine schwerfälligen Klassen soll die Akademie haben, sondern Arbeitsgruppen, zu denen die Mitglieder namhafte Kollegen einladen. Ein bis zwei Jahre lang könnten sie an einer Fragestellung arbeiten und dann sagen „was richtig ist“, hofft Günter Stock, Vorstand der Schering AG und Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Nationale Akademie“ des Wissenschaftsrats. Wissenschaftsstaatssekretär Wolf-Michael Catenhusen, sein Podiumsnachbar bei einer Berliner Diskussion über die Nationale Akademie, beschreibt fast schwärmerisch noch eine Aufgabe: „Zu sagen, welches die spannenden neuen Wissenschaftsdisziplinen sind.“ Dann könnte die deutsche Forschungsszene frühzeitig reagieren und international an der Spitze mitreden. Aus dem Publikum erhebt sich Günter Spur vom Vorstand der acatech, dem Konvent für Technikwissenschaften und wirbt für „eine Stimme der deutschen Wissenschaften, die Zukunftsvisionen entwirft“. Überall, wo es nationale Akademien gibt, werde gefragt: „Und was ist in Deutschland los?“

In Deutschland, lautet die Antwort, ist der Wettbewerb um die besten Köpfe schon lange gelaufen – zwischen zahlreichen bestehenden Gelehrtengesellschaften. Föderal wie unsere Republik aufgebaut ist, sitzen Deutschlands Superhirne in sieben deutschen Wissenschaftsakademien zwischen Berlin und München, oder Institutionen wie der Akademie für Naturforscher Leopoldina in Halle. Sie forschen, tagen und publizieren – aber in der Öffentlichkeit kommt davon wenig an. „Akademie-Fürstentümer“ nennt Catenhusen die lokalen Größen.

Und die werden nun eisern verteidigt: Der Wissenschaftsrat konnte sein Konzept für eine von Bund und Ländern getragene Stiftungsakademie nicht durchsetzen, weil die Ländervertreter mauerten. Jetzt sollen die großen Einrichtungen der Wissenschaft unter sich ausmachen, wie die Akademie organisiert wird – also die „Fürstentümer“ und Institutionen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft. Und schon zeigt sich: Etliche der Institutionen halten eine Nationale Akademie für überflüssig und trauen sich zu, selber die maßgebliche Stimme der deutschen Wissenschaft zu werden: wie die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, ein Zusammenschluss der Länderakademien. Oder die Berlin-Brandenburgische Akademie, deren Präsident Dieter Simon jetzt zur Podiumsdiskussion ins Atrium der Deutschen Bank geladen hatte. Simons Problem an diesem Abend: Als Moderator konnte er nicht pro domo sprechen, sondern nur Suggestivfragen wie diese stellen: Ob man denn wirklich eine Nationale Akademie neu gründen müsse, oder sich nicht doch „der alten Akteure bedienen“ solle?

Allein, die Antwort wird er nicht gern gehört haben: Keine der bestehenden Akademien könne das leisten, was der Wissenschaftsrat wünscht, sagen Stock und Catenhusen übereinstimmend. Und in europäischen und internationalen Wissenschaftsnetzwerken gebe es nun einmal jeweils nur einen freien Stuhl pro Land. Deutschland könne es sich nicht leisten, ihn als einzige Industrienation noch länger frei zu lassen.

Von der „Kakophonie“ der vielen kleinen Akademien ist die Rede. Ein Begriff, der auch auf die zum lästigen Massenphänomen mutierten singenden Superstar-Anwärter passt. Die Zukunft der deutschen Wissenschaft hat Besseres verdient.

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