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Gesundheit: Weiche Züge stehen Männern gut

Feminines macht beide Geschlechter attraktiver - Die weibliche Vorliebe schwankt mit dem ZyklusRolf Degen Es ist offenbar kein Zufall, dass kein anderes männliches Gesicht in den letzten Jahren so sehr die Herzen der Frauen erobert hat, wie das des Leonardo DiCaprio, der sich auf dem Bugspriet der Titanic zum König der Welt erklärt. Feminine Gesichtszüge, so ein aktuelles Ergebnis der Schönheitsforschung, erhöhen bei beiden Geschlechtern den Sex-Appeal.

Feminines macht beide Geschlechter attraktiver - Die weibliche Vorliebe schwankt mit dem ZyklusRolf Degen

Es ist offenbar kein Zufall, dass kein anderes männliches Gesicht in den letzten Jahren so sehr die Herzen der Frauen erobert hat, wie das des Leonardo DiCaprio, der sich auf dem Bugspriet der Titanic zum König der Welt erklärt. Feminine Gesichtszüge, so ein aktuelles Ergebnis der Schönheitsforschung, erhöhen bei beiden Geschlechtern den Sex-Appeal. Die weiblichen Vorlieben schwanken zwar bis zu einem gewissen Grad mit dem Zyklus, aber die kantige "Neandertaler-Visage" ist in allen Phasen unten durch.

Es ist fast unmöglich, die "Gesichtskontrolle" auszuschalten, die in unserem Hinterkopf bei der Begegnung mit einer unbekannten Person abläuft. Abgesehen von allen anderen Nuancen läuft da immer auch ein automatischer Entscheidungsprozeß ab: Könnte das Gegenüber ein attraktiver Sex-Partner sein? Nun ist es schon lange bekannt, dass Menschen sich bei der Wahl eines Geschlechtspartners im hohen Maße nach dem äußeren Erscheinungsbild richten. Dabei existieren offenbar recht klare Vorstellungen von einer "schönen Schale", die zu einem beträchtlichen Anteil im Gesicht der anvisierten Zielperson festzumachen sind. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Psychologie lassen kaum noch Zweifel, dass gut aussehende Menschen im Leben viele Vorschußlorbeeren genießen und konkrete Begünstigungen einheimsen.

Selbst neugeborene Kinder richten ihre kurzlebige Aufmerksamkeit bereits länger auf ein gutaussehendes Gesicht. Auf der Suche nach den einschlägigen "Gütekriterien" für ein schönes Gesicht haben die Wissenschaftler schon seit einiger Zeit mit dem Computer "Phantomgesichter" erzeugt, die aus übereinanderkopierten echten Konterfeis bestanden, berichtet die Zeitschrift "Discover" (2/2000) in einer Übersichtsarbeit, die kostenlos im Internet abgerufen werden kann (http://www.discover.com/feb_00/featbeauty.html). Der Trick mit den "Durchschnittsgesichtern" geht ursprünglich auf den Briten Francis Galton, einen Pionier der Psychologie und Statistik, zurück, der im vergangenen Jahrhundert die Bilder von Sträflingen auf ähnliche Weise überlagerte. Seine Hoffnung, er könne so die ultimative "Verbrechervisage" destillieren, blieb jedoch unerfüllt, weil die fertige Komposition attraktiver aussah als die individuellen Vorlagen.

Bessere Noten für die Mixtur

Immer wieder machten die Schönheitsforscher die Erfahrung, dass eine Gesichts-Mixtur beim Schönheitswettbewerb bessere Noten erhielt als die ursprünglichen Einzelgesichter. Dass ausgerechnet der Mittelwert besser ankommt als das individuelle Gesicht, kann diverse Gründe haben. Womöglich gehen bei der Überlagerung alle abnormen "Features" verloren, die auf irgendeinen genetischen Defekt hinweisen. Da Lebewesen bestrebt sind, sich mit den Trägern von möglichst optimalen Erbanlagen zu paaren, würden solche Mängel ein "schlechtes Aushängeschild" darstellen. Es kann aber auch sein, dass Individuen bei der Wahl eines möglichen "Liebesobjektes" unterbewusst einen "Prototyp" anstreben. Dieser Idealtypus beruht vermutlich auf einem Mittelwert über alle in der Vergangenheit wahrgenommenen Gesichter, und er kann von unserem Wahrnehmungssystem leichter und schneller identifiziert werden als ein Gesicht mit individuellen Charakteristika.

Übereinander kopierte Gesichter haben noch einen weiteren Vorzug: Symmetrie. Symmetrische Züge gelten als wichtige Garantie für Gesundheit und Lebenskraft. In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass sich genetische Schäden, Störungen der Entwicklung und andere negative Einflüsse häufig als "fluktuierende Asymmetrie" niederschlagen: Die Proportionen auf einer Seite des Körpers weichen von denen auf der andern ab. Überall in der Natur bringt Symmetrie den Eros in Schwung. Selbst Insekten und Schwalben fahren bei "ihresgleichen" auf einen möglichst deckungsgleichen Körper ab.

Der schottische Psychologe David Perrett entdeckte wichtige Abweichungen vom ästhetischen Durchschnittsprinzip, als er nach dem gleichen Muster "normale" und als besonders attraktiv bewertete Gesichter überlagerte. Die Komposition war bereits ein Fortschritt, aber die Überlagerung der Schönen wirkte noch hübscher als der Gruppenstandard. Die "Superschönen" hatten einige extrem ausgebildete Eigenschaften, und diese waren genau die Merkmale, die übereinanderkopierte weibliche Gesichter von übereinanderkopierten Männervisagen unterschieden: größere Augen, eine kleinere Nase, hervorstehende Wangenknochen, vollere Lippen, eine schmalere Kiefer- und Kinnpartie sowie höhere und stärker gebogene Augenbrauen.

Als man diese Merkmale fototechnisch über das natürliche Maß erhöhte, stiegen die Bewertungen weiter. Beide Geschlechter fanden "femininisierte" Frauengesichter schöner. Männer produzierten sogar eine stärker ausgebildete "P300"-Ausbuchtung im EEG - ein Zeichen emotionaler Erregung -, wenn man ihnen die Bilder der "Superweiber" projizierte. Die "typisch weiblichen" und von Männlein und Weiblein bei Frauen als "schön" bewerteten Gesichtszüge sind genau jene, die während der Pubertät unter dem Einfluss des weiblichen Sexualhormons Östrogen gebildet werden. Sie sagen dem anderen Geschlecht "Ich habe eine reichhaltige Versorgung mit Östrogen, und daher bin ich eine fruchtbare Frau im besten gebärfähigen Alter", erklärt der Psychologe Victor Johnston von der New Mexico State University. "Alles, was Frauen mit Kosmetik anstellen, läuft im Prinzip darauf hinaus, die weiblichen Züge zu verstärken", pflichtet die Harvard-Psychologin Nancy Etcoff bei.

Es stellt sich nun die Frage, welche optischen Merkmale das "schöne Geschlecht" bei den Herren der Schöpfung bevorzugt. Neben breiten Schultern und schmalen Hüften kommt einem dabei wohl rasch die Gesichtsform in den Sinn, die als "typisch männlich" gilt: mit ausgeprägtem Kiefer und Kinn und kantigeren Formen. Manche Forscher sprechen von "Reaganness", nach dem für seine herben Züge bekannten amerikanischen Filmschauspieler und Präsidenten. Diese Annahme wird jedoch durch eine Studie schwedischer Forscher widerlegt: Danach finden Frauen männliche Gesichter attraktiver, wenn diese "femininer" aussehen. Die Autoren begründen das damit, dass Männer mit femininen Zügen wahrscheinlich bessere Väter seien. Das spiegelt sich auch in den Aussagen der Juroren wider, die künstlich vermännlichten und verweiblichten Männergesichtern Charaktereigenschaften zusprechen sollten.

Kantige Gesichter gelten als aggressiv

"Kantengesichter" galten als dominant und aggressiv, während "Milchgesichter" als warm, sensibel, kooperativ und väterlich bewertet wurden. Die Vorliebe für feminine Männergesichter liefert eine Erklärung dafür, warum sich die optischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei Menschen in Grenzen halten. Das schöne Geschlecht - die Frau - stellt offenbar die ästhetischen Bewertungskriterien bereit, die auch an männliche Gesichter angelegt werden. Allerdings sind die Geschmäcker der Frauen nicht immer gleich.

Japanische und britische Forscher ließen ihre weiblichen Testpersonen nämlich nicht nur die Attraktivität von mittels Computer auf mehr "maskulin" oder mehr feminin" getrimmten Männergesichtern beurteilen, sondern befragten sie auch über ihren Zyklus. Ergebnis: An Tagen, an denen ihre Empfängnisbereitschaft hoch ist, bevorzugen die Frauen im Durchschnitt maskulinere Züge, sogar wenn sie sich noch eine Woche früher für femininere Gesichter entschieden hatten. Doch selbst die Männergesichter, die Frauen an ihren fruchtbaren Tagen bevorzugten, waren immer noch um acht Prozent femininer als das männliche Durchschnittsgesicht.

Ein weiterer Trend: Bei Frauen, die einen festen Partner haben, sind sowohl die Tendenz zu maskulineren Zügen als auch die Schwankung der Vorlieben im Laufe des Zyklus größer. Schluss der Autoren: "Eine Frau könnte sich einen primären Partner suchen, dessen wenig männliche Erscheinung Kooperation in der elterlichen Fürsorge verspricht, aber gelegentlich mit einem Mann mit mehr maskulinen Aussehen (das für ein starkes Immunsystem spricht) verkehren, wenn Empfängnis wahrscheinlich ist. Sexualverhalten, das durch zyklische Unterschiede entsteht, könnte Individuen erlauben, die Vorteile der Polyandrie zu nutzen und zugleich den Vorzug der ostentativen Monoandrie zu behalten." Auf Deutsch: Frauen versuchen, den Anschein der Monogamie zu wahren, während sie Polyandrie (Vielmännerei) betreiben.

Im Hinblick auf die genetische Fitness kann ein schönes Frauengesicht eine Mogelpackung sein. Das beweisen jene weiblichen Wesen, die unter einer angeborenen Unempfindlichkeit für das männliche Geschlechtshormon Testosteron leiden. Frauen mit dieser Anomalie, die oft Models und Schauspielerinnen werden, bilden während der Pubertät besonders attraktive weibliche Züge aus. Ihre Anziehungskraft ist jedoch irreführend, weil sie unfruchtbar sind.

Rolf Degen

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