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Welt-Aids-Tag: 1700 Berliner wissen nichts von ihrer HIV-Infektion

Am Montag ist Welt-Aids-Tag. In Berlin leben rund 15.000 Menschen, die das Virus in sich tragen. Deshalb sollen in diesem Jahr besonders die Ungetesteten in den Fokus gerückt werden.

„Fünf Mal bin ich um den Block gelaufen und habe mich gefragt: Soll ich reingehen?“ Solche Geschichten hört Ute Hiller immer wieder. Die Geschäftsführerin der Berliner Aids-Hilfe in der Kurfürstenstraße weiß, dass sich viele immer noch schwertun mit einem HIV-Test. Manche warten so lange, bis es zu spät ist. Zum Welt-Aids-Tag am heutigen Montag sollen deshalb besonders die Ungetesteten in den Fokus gerückt werden.

Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (Stand: Ende 2013) leben in Berlin rund 15.000 Menschen, die das Virus in sich tragen, 1700 davon wissen es nicht. Unter denen, die neu diagnostiziert wurden, waren 150, bei denen die Schädigung des Immunsystems bereits erheblich fortgeschritten war. „Das heißt, bei diesen Betroffenen ist die Zahl der Helferzellen im Blut unter 200 gesunken“, erklärt Ute Hiller – ein gesunder Mensch hat zwischen 1200 und 1600 Helferzellen. Eine antiretrovirale Therapie würde dann zwar immer noch greifen, aber die Schäden am Immunsystem können trotzdem irreparabel sein.

Sexuell Aktive sollten sich deshalb einmal im Jahr testen lassen. „Unsere Botschaft ist: Wir können heute aus Aids dank der Kombinationstherapie eine chronische Krankheit machen“, sagt Ute Hiller. „Wer frühzeitig und regelmäßig zum Test geht, erhöht im Fall einer Infektion seine Lebensqualität und erreicht in der Regel auch ein höheres Alter.“ Weil die Aids-Hilfe davon ausgeht, dass vor allem Ungetestete das Virus weitergeben, würden regelmäßige Tests auch die Infektionskette durchbrechen. „Nur wer seinen eigenen Status kennt, kann sich und andere schützen“, so Ute Hiller.

Wenig Geld für viele gewonnene Jahre

Es gibt viele Gründe, warum Menschen nicht zum Test gehen. Angst vor einem positiven Ergebnis, vor Hilflosigkeit und körperlichem Verfall spielt natürlich eine große Rolle. Dabei können Zustände wie in den 80er Jahren, die immer noch als Schreckensfolie über jeder HIV-Infektion liegen, paradoxerweise genau durch Tests vermieden werden. Aber auch Furcht vor Stigmatisierung ist nicht zu unterschätzen – und berechtigt, wie Jens Ahrens, Referent für Gesundheitsförderung bei der Berliner Aids-Hilfe, betont: „Studien wie 50plusHIV haben gezeigt, dass in der Gesellschaft immer noch Vorbehalte gegenüber Positiven herrschen.“

Andere gehen nicht zum Test, weil sie sich gar nicht zum Betroffenenkreis zählen. Hartnäckig halten sich Mythen, etwa dass das Risiko einer Infektion bei ungeschütztem Analverkehr für den aktiven Partner geringer sei. Tatsächlich ist es genauso hoch. Oder dass man dem Partner eine Infektion ansehen könne: Wer jung und knackig ist, kann nicht positiv sein. Und schließlich gibt es auch in Deutschland viele, die keine Krankenversicherung haben, etwa Flüchtlinge, und deshalb den Test meiden – weil sie eine mögliche Behandlung gar nicht bezahlen könnten. Die Übernahme der Kosten einer antiretroviralen Therapie durch die Allgemeinheit wie in Großbritannien steht deshalb seit Jahren ganz oben auf der Forderungsliste der Aids-Hilfe und ihrer Kooperationspartner.

Wer sich einmal zum Test durchgerungen hat, findet viele Möglichkeiten. Vier freie Träger (Aids-Hilfe, Pluspunkt, Fixpunkt und Mann-O-Meter) haben sich in der Berliner Testkampagne zusammengeschlossen, die seit 2014 aus dem Landeshaushalt gefördert wird. Der Test ist anonym, einem viertelstündigen Beratungsgespräch folgt der eigentliche Bluttest mit halbstündiger Wartezeit und ein weiteres Gespräch über das Ergebnis, man sollte also eine Stunde Zeit mitbringen. Auch bei Gesundheitsämtern oder niedergelassenen Ärzten kann man sich testen lassen, dort für etwa 30 Euro. Ansonsten liegen die Kosten bei 15 Euro für einen Schnell- und zehn Euro für einen Labortest, der eine Woche braucht. Wenig Geld für viele gewonnene Jahre.

Infos: www.hiv-schnell-test.de. Zum Welt-Aids-Tag fährt wieder eine S-Bahn mit roter Schleife auf der Ringbahn, in der Ehrenamtliche Spenden sammeln. Startschuss mit Klaus Wowereit und Bahnchef Rüdiger Grube um 11 Uhr, S-Bahnhof Potsdamer Platz.

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