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Gesundheit: Wenn das Herz bricht

Der Volksmund hat doch Recht: Seelischer Stress schwächt den Pumpmuskel

Es sollte eine Surprise-Party zum 60. Geburtstag werden. 70 Menschen sprangen aus dem Dunkel hervor und riefen: „Überraschung!“ Drei Stunden später war die Frau auf der Intensivstation, berichtet Ilan Wittstein, Herzspezialist an der Johns-Hopkins-Universität im amerikanischen Baltimore. Fast wäre die Jubilarin ein Opfer ihrer Verwandten geworden, denn die Ärzte stellten bei ihr eine stressbedingte Herzmuskelerkrankung fest.

Verkehrsunfälle, Todesfälle bei nahen Angehörigen und Raubüberfälle sind andere Ursachen des Syndroms, über das Wittstein und seine Kollegen im Fachblatt „New England Journal of Medicine“ berichten. Insgesamt 19 Fälle haben die Ärzte zusammengetragen – 18 Patienten waren Frauen. Immer führte emotionaler Stress zu erheblichen Herzproblemen. Sie belegen, dass der Volksmund doch Recht haben könnte, wenn er davon spricht, dass jemand „an gebrochenem Herzen“ litt.

Bisher werden die Herzspezialisten das Wort vom „gebrochenem Herzen“ eher für eine Metapher aus dem Reich der Schlagerschnulzen gehalten haben. Denn in den allermeisten Fällen haben Patienten mit einer Herzattacke einen chronischen Schaden, nämlich eine Verengung und Verkalkung der das Herz mit Blut versorgenden Kranzgefäße. Man bekommt einen Herzinfarkt nicht aus heiterem Himmel, auch nicht wegen eines schrecklichen Familiendramas.

Das Überraschende an den Patienten von Wittstein war jedoch, dass ihr Herz vor dem belastenden Ereignis gesund war. Der Schreck, der sie aus heiterem Himmel traf, versetzte den Herzmuskel in einen akuten Schwächezustand. Die Patienten kamen mit Atemnot und Beschwerden im Brustkorb in die Klinik. Bei der Untersuchung zeigte sich, dass sie nicht etwa an den so häufigen wie gutartigen nervösen Herzbeschwerden litten, sondern tatsächlich an einer echten Pumpschwäche der linken Herzkammer.

Warum kann seelischer Stress das Herz lahmlegen? Und warum trifft es fast nur Frauen? Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Patienten meist viel mehr Stresshormone wie Adrenalin in ihrem Blut hatten als „gewöhnliche“ Herzkranke. Vielleicht ist das Adrenalin in hoher Dosis Gift für den Herzmuskel, und vielleicht sind Frauen empfindlicher. Doch das sind Spekulationen. Häufig ist eine Herzpumpschwäche durch schreckliche Ereignisse sicher nicht – aber vielleicht häufiger als gedacht und bislang manchmal verkannt. „Wenn ich über diese Fälle auf Tagungen berichtete, kamen danach oft Ärzte zu mir und sagten: ,Ich glaube, ich habe so etwas auch schon beobachtet’“, erzählt Wittstein. Andere Herzspezialisten sind skeptisch, wie Deborah Davis Ascheim von der New Yorker Columbia-Universität: „Klingt faszinierend – aber ich kaufe es ihm nicht ab.“ Die Ärztin fordert weitere Studien.

Erfreulich ist, dass der „Herzschreck“ völlig ausheilt. Vorausgesetzt, die Betroffenen werden richtig betreut, denn das geschwächte Herz muss entlastet und gestärkt werden.

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