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Gesundheit: Werkzeuge im Kopf

Warum das Gehirn wie ein Schweizer Taschenmesser gebaut ist

Die unterhaltsamste Fläche der Welt, urteilte schon der Aphorist Georg Christoph Lichtenberg, ist das Gesicht. Unser Gehirn findet Gesichter sogar so interessant, dass es eigens zur Wahrnehmung dieser unterhaltsamen Fläche eine spezielle Schaltstelle eingerichtet hat. Das berichten Hirnforscher der Harvard-Universität und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Fachblatt „Science“ (Band 311, Seite 670).

Ihre Studie an Affen demonstriert: Im Kopf unserer haarigen Vettern gibt es eine blaubeergroße Region hinten in der rechten Hirnhälfte, die von Kopf bis Fuß auf Gesichter eingestellt ist: 97 Prozent der Nervenzellen dieses kleinen Areals, die auf optische Reize ansprechen, reagieren nur dann, wenn ihnen ein Gesicht präsentiert wird – alle anderen Reize lassen sie kalt. Zeigt man beispielsweise eine Zeitung, herrscht in dem Gesichterzentrum absolute Funkstille.

Nur Gegenstände, die eine entfernte Ähnlichkeit mit Gesichtern haben, wie etwa ein Apfel, lösen ein schwaches „Feuern“ einiger Nervenzellen aus. Egal aber, ob man ein Affengesicht, Menschengesicht oder ein Gesicht aus einem Comic zeigt: das Gesichterzentrum fängt stets an zu toben. Andere Studien zeigen, dass auch wir Menschen mit einem solchen Gesichterspezialisten im Kopf ausgestattet sind. Es gibt Menschen, bei denen dieses Hirnteil defekt ist: Alles können sie noch sehen – nur Gesichter erkennen sie nicht mehr.

Für die Forscher sind die Befunde einmal mehr ein Beleg für das, was man als „Schweizer-Taschenmesser-Modell“ bezeichnet: Das Gehirn gleicht nicht einem Generalprozessor, sondern besteht aus einzelnen „Facharbeitern“, die jeweils nur eine Sache können, etwa Gesichter wahrnehmen oder sprechen. In einer Kernspin-Untersuchung stellte man fest, dass es im menschlichen Gehirn eine Region gibt, die sich ausschließlich damit beschäftigt, was in den Köpfen unserer Mitmenschen vor sich gehen könnte. Mit diesem Areal denken wir also über die Gedanken anderer nach. Ein Schweizer Taschenmesser besitzt keinen Universalschlüssel für alles, sondern spezifische Geräte: ein Messer zum Schneiden, Korkenzieher, Schere. Ähnlich sieht es offenbar in unserem Kopf aus – das Hirn ist ein neuronales Taschenmesser. bas

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