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Gesundheit: Wie Feuer und Wasser

Wenn Wörter sich abstoßen: Polarität in der Sprache

„Tim war besser als durchaus Martin.“ Den meisten Menschen dürfte ihr Sprachgefühl sagen, dass an diesem Satz etwas nicht stimmt. Aber wer hat schon auf die Schnelle eine Grammatikregel parat, die erklärt, warum das „durchaus“ hinter dem „als“ nichts zu suchen hat? Jan-Philipp Söhn zum Beispiel. Der Tübinger Sprachwissenschaftler erforscht die deutsche Grammatik und spürt dabei Polaritätselementen nach.

„Durchaus“ ist ein positives Polaritätselement wie zum Beispiel auch „bekräftigen“, „ziemlich“ oder „unvermindert“. Diese Wörter kommen nicht unmittelbar in negativen, sprich verneinenden, Zusammenhängen vor, wie Söhn erläutert. Ein Beispiel: „Er ist ziemlich gut“ geht locker von den Lippen – ganz im Gegensatz zu: „Er ist nicht ziemlich gut.“

Die positiven Polaritätselemente sind bisher kaum erforscht. Der 30-jährige Söhn ist dabei, das zu ändern. Als möglichen Nutzen seiner Arbeit nennt er: Computerprogramme, die Texte verarbeiten, müssten auch die Regeln zur Verwendung von Polaritätselementen kennen. Auch Menschen, die die deutsche Sprache lernen, müssten zumindest nachschlagen können, wie diese Satzbausteine richtig eingesetzt werden.

Die Sprachvorschrift für Vergleiche lautet: Positive Polaritätselemente dürfen nicht auf ein „als“ folgen. „Tim war durchaus besser als Martin“, heißt es also richtig. „Solche Regeln müssen im Lexikon stehen“, sagt Söhn. Doch noch gebe es keine Liste mit positiven Polaritätselementen. Söhn und seine Mitarbeiter erstellen eine solche Übersicht. Dafür werten sie auch Zeitungstexte aus.

Teilweise geschieht das automatisiert, doch die Ergebnisse von Computerauswertungen müssen die Linguisten überprüfen. Die automatische Auswertung hatte nahegelegt, dass es sich bei dem Wort „finanzierbar“ um ein negatives Polaritätselement handelt. „Es wurde meistens in einem negativen Zusammenhang verwendet“, berichtet Söhn.

In diesem Fall lag das aber nicht an Zwängen der Grammatik, sondern einfach daran, dass die Zeitungsreporter überwiegend über Projekte schrieben, für die das Geld nicht reichte.

Stefan Waschatz (dpa)

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