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Gesundheit: Winterschlaf: Starr vor Kälte

Sechs Uhr, der Wecker schellt. Weil es draußen noch dunkel ist, fällt in kalten Jahreszeiten das Aufstehen besonders schwer.

Sechs Uhr, der Wecker schellt. Weil es draußen noch dunkel ist, fällt in kalten Jahreszeiten das Aufstehen besonders schwer. Einigeln möchte man sich oder Hamster sein. Ein Winterschlaf, das wäre schön!

Biologen der australischen University of New England haben nun beobachtet, dass die Winterstarre weiter verbreitet ist als bisher gedacht. Auch Vögel fallen zumindest zeitweise in eine Art Winterschlaf.

Gerhard Körtner und seine Kollegen statteten sieben Eulenschwalme mit Temperaturmessgeräten aus. Die australischen Vögel sind etwa 40 Zentimeter groß, ein Pfund schwer und ernähren sich hauptsächlich von Insekten. Mit Hilfe kleiner Sender konnten die Biologen die ermittelten Temperaturwerte rund um die Uhr abrufen, wie sie im Wissenschaftsmagazin "Nature" (Bd. 407, S. 318) berichten.

Alle Vögel fielen regelmäßig in einen Zustand der Starre, verbunden mit einem deutlichen Absinken der Körpertemperatur. "Ich war baff, als ich davon gehört habe", kommentiert Elke Schleucher vom Institut für Zoologie der Universität Frankfurt die Ergebnisse. In der Arbeitsgruppe um Roland Prinzinger beschäftigt sie sich bereits seit mehreren Jahren mit dem Phänomen der Winterstarre. Bisher waren Biologen davon ausgegangen, dass diese Strategie nur von kleineren Vögeln mit maximal 100 Gramm Körpergewicht verfolgt wird.

Tiere, deren Nahrung hauptsächlich aus Insekten besteht, haben im Winter ein Problem: Bei fallenden Temperaturen steigt infolge der erhöhten Wärmeabgabe an die Umgebung ihr Energiebedarf. Und da Insekten im Winter bekanntlich rar sind, sinkt das Nahrungsangebot. Es fällt den Tieren daher schwer, den Energieverlust auszugleichen.

Um mit den ungünstigen Lebensbedingungen fertig zu werden, haben Vögel und Säugetiere verschiedene Überlebensstrategien entwickelt. Ein Musterbeispiel: die Zugvögel. Sie weichen dem Versorgungsnotstand durch eine Wanderung in den Süden aus. Die Amsel hingegen hält der heimischen Witterung stand und wählt eine andere Möglichkeit. Sie stellt im Winter einfach ihren Speiseplan um. In den warmen Jahrezeiten ernährt sich der schwarze Vogel hauptsächlich von Insekten, Regenwürmern und kleinen Tieren. Im Herbst und Winter steigt sie dann zwangsweise auf eine vegetarische Kost um. Früchte, Samen und - falls vorhanden - von Menschen angebotene Körner bestimmen dann ihren Speisezettel.

Säugetiere können die ungemütliche Zeit durch einen Winterschlaf überbrücken. Der Igel beispielsweise sucht eine Höhle oder einen Laubhaufen auf und schaltet seine Körperfunktionen auf Sparflamme. Der stachlige Säuger braucht dann keine Nahrung. Er atmet nur noch zwei- bis viermal in der Minute und senkt seine Körpertemperatur auf bis zu vier Grad.

Wenn die Körpertemperatur sinkt

Auch Vögel können ihre Körpertemperatur herabsetzen und in einen Zustand der Starre fallen. Biologen bezeichnen diese zeitweisen Erstarrungszustände als Torpor. Bei den heimischen Singvögeln haben Forscher dies bisher nur beim Ziegenmelker und Mauersegler beobachtet. Beide Vogelarten ernähren sich hauptsächlich von Insekten und wiegen unter 100 Gramm.

Bei einem höheren Körpergewicht zahlt sich diese Strategie nicht mehr aus, dachten die Biologen bisher. Kleine Tiere haben wesentlich höhere Stoffwechselraten als große; bei einem Absenken der Körpertemperatur sparen sie daher pro Gramm Gewicht mehr Energie. Wenn die Tiere sich aus dem Erstarrungszustand lösen, brauchen sie allerdings auch wieder Energie, um ihren Körper auf Betriebstemperatur zu bringen.

Unterm Strich ist die Energiebilanz der kleinen Kerlchen dennoch positiv. Anders bei den großen Tieren. "Aufgrund der geringeren Stoffwechselraten sparen große Tiere während des Torpors weniger Energie als kleine", erklärt Elke Schleucher. "Wenn sie dann aber statt einem, zwei Hackfleischbällchen an Körpergewicht aufwärmen müssen, benötigen sie die doppelte Menge Energie." Große Vögel wenden für die Remobilisierung ihrer Körperfunktionen so viel Zeit und Energie auf, dass sich ein Torpor für Tiere über 100 Gramm den Modellen der Forscher zufolge nicht rechnen sollte.

Die Untersuchungen von Gerhard Körtner, Mark Brigham und Fritz Geiser zeigen nun: Falsch gerechnet! Die Beobachtungen der drei Forscher an der University of New England zwingen die Biologen zum Umdenken. Sie vermuten, "dass diese Erstarrungszustände wesentlich weiter verbreitet sind, als bisher angenommen".

Bei den 500 Gramm schweren Eulenschwalmen jedenfalls sank die Körpertemperatur im Zustand der Starre von rund 39 Grad Celsius um bis zu zehn Grad. Der Torpor überfällt die Vögel in der Regel nach einer kurzen Phase abendlicher Aktivität. Erst gegen Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, erwachen die Vögel aus ihrer Starre und suchen ihre Tagesrastplätze auf, um dort erneut in einen Torpor zu fallen. Nur die stärker werdende Sonnenwärme vermag die Vögel endgültig zu wecken.

Manuela Röver

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