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Gesundheit: „Wir werden Spielräume schaffen“

Was die CDU-Politikerin Annette Schavan für Bildung und Wissenschaft plant

Frau Schavan, kürzlich hat der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, im Tagesspiegel beklagt, die Union gehe das Zukunftsthema Bildung nicht beherzt genug an – weder inhaltlich noch finanziell. Was antworten Sie ihm?

Davon kann überhaupt keine Rede sein. Im Übrigen beweisen unionsregierte Länder, dass sie die eigentlich Innovativen in Sachen Bildung und Wissenschaft in Deutschland sind.

Der Bund soll nach Ansicht der Union keinen Einfluss mehr auf die Schule nehmen. Die Union setzt allein auf den föderalen Wettbewerb. Die Kultusminister verbieten den Pisa-Forschern aber vertraglich, einen Leistungsvergleich zwischen den Schultypen – es sei denn, die Länder willigen ein. Beweist das nicht, dass die Länder einen echten Wettbewerb gar nicht wollen?

Alle unionsregierten Länder wollen den Wettbewerb. Ich habe schon vor geraumer Zeit deutlich für einen Vergleich der Schulformen bei Pisa plädiert. Es sind nur wenige SPD-regierte Länder, die das bislang nicht wünschen. Das ist ein Beispiel für schlechten Umgang von Politik mit Wissenschaft. Es kann nicht sein, dass die Wissenschaft Ergebnisse hat, die auch für die Bildungspolitik interessant sind, und die Politik Einfluss nimmt auf die Art der Veröffentlichung.

Gerade wenn der Bund sich aus der Bildung zurückzieht, braucht Deutschland eine schlagkräftige Kultusministerkonferenz. Doch die Kultusminister werden von einigen Länderchefs nicht akzeptiert. Bayern und NRW gehen eigene Wege in der Rechtschreibreform, der Beschluss zur Exzellenzinitiative der Unis wurde von Hessen blockiert. Schreien solche Alleingänge nicht nach mehr Zentralismus?

Nein. Der Schlüssel für Qualitätsverbesserungen liegt im Wettbewerb des Föderalismus und – das darf nicht unterschätzt werden – natürlich in der Verständigung zwischen Bund und Ländern über Entwicklungen in der Bildung. Tatsache ist, dass in den letzten sieben Jahren der Bund die Länder vor allem provoziert hat und an Verständigung nicht wirklich interessiert war. Damit ist mancher unnötige Konflikt aufgekommen, der die Sache verzögert hat. In Zukunft wird es wichtig sein, dass Bund und Länder sich gemeinsam auf zentrale Ziele verständigen.

Zum Beispiel?

Denken Sie an die frühkindliche Bildung oder an die Integration von Migrantenkindern. Bei all diesen Themen liegt die Federführung bei den Ländern, aber zugleich ist ergänzende Initiative wichtig, etwa auf Seiten der kommunalen Schulträger, oder, wenn Sie an die Bildungsforschung denken, beim Bund. Im Übrigen gilt: Der Bund hat eine Zuständigkeit in der beruflichen Bildung, davon sind immerhin zwei Drittel aller Jugendlichen in Deutschland betroffen. Es kann also keine Rede davon sein, dass eine Bundesregierung mit Bildung nichts zu tun hat.

In den Sonntagsreden betonen die Politiker gerne, sie wollten den Brain-drain stoppen und sich um den wissenschaftlichen Nachwuchs bemühen. Jüngere Forscher stören sich aber besonders an der Regelung, wonach Wissenschaftler auf befristeten Stellen nach zwölf Jahren fest angestellt werden müssen – oder aber aus der Forschung ausscheiden. Sehen Sie diese Regelung auch als Problem?

Zeitliche Befristungen dürfen nicht zum Dogma gemacht werden. Ich bin an dieser Stelle für mehr Beweglichkeit. Aber das ist eine Frage der Verständigung zwischen Bund und Ländern: Ändern wir das bundesweit oder wird das über die Hochschulgesetze wie jetzt schon in Baden-Württemberg geregelt? Generell können Sie davon ausgehen, dass die neue Bundesregierung mehr Freiheit in solchen Fragen schaffen wird. Ein Signal gegen die Abwanderung ist übrigens auch, gezielt Forschungsförderung für Juniorprofessoren zu betreiben. Baden-Württemberg hat in einer Zukunftsoffensive dafür jetzt 13 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Angesichts der jüngsten Erfolge in der Stammzellforschung hat DFG-Präsident Winnacker gefordert, die Stichtagsregelung im Stammzellgesetz fallen zu lassen. Sie sind eine erklärte Gegnerin einer solchen Liberalisierung. Verliert Deutschland nicht den Anschluss?

Es gibt dazu einen Beschluss des Bundestages, der mit einer überwältigen Mehrheit zustande gekommen ist. Ich halte diesen Beschluss in der Sache für richtig, und auch der Respekt vor dem Parlament gebietet, ihn zu achten. Es gibt viele andere Bereiche, in denen viel Zukunftsmusik steckt und denen die deutsche Forschung sich verstärkt widmen kann. Bei der embryonalen Stammzellforschung ist mein Eindruck, dass längst auch bei den Forschern die Frage auftaucht: Wie können wir zu anderen Wegen kommen, die diese tief greifende ethische Problematik nicht haben? Denken Sie an den Bericht in „Science“ vor wenigen Tagen über die Veränderung von Hautzellen. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken als seien andere Wege ausgeschlossen, um zu den Zielen zu kommen, die mit diesem Forschungszweig verbunden sind.

Die jetzige Regierung hat die grüne Gentechnik durch Haftungsregeln stark reglementiert. Wollen Sie das ändern?

Ja. Da gibt es ja vor allem Probleme beim Haftungsrecht für Freilandversuche. Hier werden wir Spielräume schaffen.

Im Jahr 2010 muss Deutschland einen Anteil von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts jährlich in Forschung und Entwicklung investieren, das ist ein europäisches Ziel. Wie hoch beziffern Sie den Anteil, den Bund und Länder in den nächsten vier Jahren erbringen müssen?

Die drei Prozent müssen erreicht werden, denn Deutschland soll Motor der europäischen Innovationspolitik werden. Wir liegen jetzt bei einem Anteil von 2,5 Prozent am BIP. Das bedeutet Bund, Länder und Wirtschaft müssen einen Zuwachs von 7,6 Milliarden Euro erbringen. Insgesamt sind mehr Anstrengungen notwendig, übrigens auch von der Wirtschaft.

Bundesbildungsministerin Bulmahn befürchtet, die Union könnte am Pakt für Forschung rütteln, der eine dreiprozentige Etatsteigerung für die Forschungseinrichtungen vorsieht. Stehen Sie zu dem Pakt?

Ja.

Es gibt auch Verwirrung um andere Aussagen der Union. Im Wahlprogramm verspricht die CDU der Forschung, „die jährlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung zusätzlich zur beschlossenen Exzellenzinitiative um eine Milliarde Euro“ zu erhöhen. Sie sprechen jetzt von einem Übertragungsfehler, es gehe nicht um insgesamt vier Milliarden Euro, sondern um eine Milliarde. Wie viel Geld wird denn nun zusätzlich investiert?

Unser Konzept ist der Einstieg in die Vollkostenförderung der Forschungsprojekte. Dieser ist notwendig, um international anschlussfähig zu werden. Das ist entscheidend. Bislang belasten die erfolgreichsten Forscher ihre Hochschule finanziell besonders stark. Das geht so weit, dass Stellen in anderen Fachbereichen wegfallen, um die Infrastruktur großer Forschungsprojekte zu finanzieren. Der Einstieg soll in der kommenden Legislaturperiode in Etappen vonstatten gehen. Realistisch wären etwa vier Etappen à 250 Millionen. Am Ende steht die Erhöhung des DFG-Haushaltes in diesen vier Jahren um eine Milliarde Euro.

Aber es war schon die Rede von einer 70-prozentigen Erhöhung des DFG-Etats?

Eine solche Steigerung hätten wir, wenn wir den Etat innerhalb eines Jahres um eine Milliarde erhöhen würden. Für die Umstellung auf Vollkostenförderung sind Kostenberechnungen nötig. Das Gespräch mit der Wissenschaft zeigt, dass die Hochschulen genügend Zeit brauchen, sich darauf umzustellen. Die 70 Prozent bleiben aber das Ziel.

Im CDU-Wahlprogramm heißt es: „Wir werden den Ausbau der Spitzenforschung fördern und dabei insbesondere darauf achten, dass neue Produkte und Verfahren rasch zur Markt- und Produktionsreife entwickelt werden.“ Sollte Deutschland weniger in Grundlagenforschung investieren?

Nein. Der Weg von der Grundlagenforschung hin zur industriellen Anwendung muss insgesamt in den Blick kommen. Es geht um Clusterbildung nicht nur im Hinblick auf das Zusammenspiel von inneruniversitärer und außeruniversitärer Forschung, sondern vor allen Dingen im Sinne einer Verstärkung der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft. Da entstehen die eigentlichen Innovationen. Die Wege von der Idee zum Produkt sind zu lang in Deutschland.

An der Freien Universität hat Angela Merkel vor kurzem hervorgehoben, die Militärforschung in den USA zeitige häufig auch zivil nutzbare Ergebnisse. Sollte Deutschland seine Militärforschung intensivieren?

Mir fällt bei der Frage nach ungenutzten Forschungsbereichen vor allem die Energieforschung ein. Es gibt Bereiche – und das mag man auch auf die Militärforschung übertragen – aus denen wir ausgestiegen sind und damit technologische Entwicklungen ausblenden. So machen wir uns irgendwann abhängig. Solange wir wissen, dass der Anteil der Energie aus regenerativen Quellen nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was wir brauchen, kann ich nicht Forschung an der Weiterentwicklung der Kerntechnik abschalten.

Das Gespräch führten Anja Kühne und Hartmut Wewetzer.

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