zum Hauptinhalt

Gesundheit: "Wir werden uns diesem Wettbewerb stellen"

Gleich vier Universitäten muß die Stadt Berlin durchfüttern: FU und HU gelten als Symbole für die einstige Konfrontation in der geteilten Stadt und für den neuen Geist nach der Wiedervereinigung.Die Hochschule der Künste paßt gut in die Vision von der Kulturmetropole.

Gleich vier Universitäten muß die Stadt Berlin durchfüttern: FU und HU gelten als Symbole für die einstige Konfrontation in der geteilten Stadt und für den neuen Geist nach der Wiedervereinigung.Die Hochschule der Künste paßt gut in die Vision von der Kulturmetropole.Und die Technische Universität steht für innovative Jobs und moderne Technik, für Berlin als Wirtschaftsstandort schlechthin.

Wie in keiner anderen Berliner Hochschule messen sich die Reformen an der TU am Schrittmaß der Industrie, am globalen Strukturwandel in der Wirtschaft und an der weltweiten Konkurrenz.Dabei war der formale Umbau von 15 auf acht Fakultäten nur der Anfang.Vier weitere Reformen - die Studienreform, die Verwaltungsreform, die Budgetierung der neuen Fachbereiche und die Reform der Gremien - sollen die TU für die nächsten Jahrzehnte verschlanken.

"Der Dreh- und Angelpunkt ist die Reform des Studiums", meint Christian Thomsen, TU-Vizepräsident für Studium und Lehre."Wir werden von der Politik einfordern, den uns eingeräumten Spielraum auch wirklich ausfüllen zu dürfen." Er nennt Zahlen: An der TU studieren heute gut 30 600 junge Leute.Für sie stehen heute rund 23 000 Studienplätze zur Verfügung - mehr kann die Stadt nicht bezahlen.Nach dem Jahr 2003 sollen es nur noch 16 700 sein.

"Die Studienreform beinhaltet vor allem die Vereinfachung der Studien- und Prüfungsordnungen", erklärt Thomsen."Wir bereiten Bachelor- und Master-Abschlüsse vor, die von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der technischen Hochschulen in Deutschland anerkannt werden." In dieser Arbeitsgruppe haben sich etwa 20 renommierte technische Universitäten und -Hochschulen wie München, Aachen, Hamburg-Harburg, Berlin, Dresden und Karlsruhe vereinigt.Sie wollen für die internationalen Abschlüsse einheitliche Maßstäbe setzen.

"Da brauchen wir auch die Konkurrenz der Fachhochschulen nicht zu fürchten", sagt Thomsen."Wir werden uns diesem Wettbewerb stellen." Das neue Gremium zur Akkreditierung der Studienangebote kostet natürlich Geld, "mehrere Hunderttausend", wie Christian Thomsen allein für die TU schätzt."Aber dadurch erhalten wir zugleich eine externe Evaluation, denn die Master-Abschlüsse leiten sich zum großen Teil aus bestehenden Diplomstudiengängen ab.Die nehmen wir dann faktisch gleich mit unter die Lupe."

Nach seiner Auffassung werden die Bachelors die alten deutschen Diplome nicht verdrängen."Ein Bachelor-Studium vermittelt keine Befähigung zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten an einem komplexen Problem", schränkt er ein."Aber es könnte zum Beispiel eine Zugangsberechtigung für ein Hauptstudium an der TU werden." Damit ließen sich verstärkt Studenten aus Asien anlocken.Mit den Abschlüssen ihrer Heimatunis in der Tasche, wollen sie in Deutschland vor allem Maschinenbau, Elektrotechnik oder Chemie studieren.Schon heute hält die TU mit 18 Prozent ausländischen Studenten einen Spitzenplatz unter den deutschen Universitäten.Chinesische Studenten bilden dabei die größte Gruppe."Die internationalen Abschlüsse ziehen aber auch die radikale Veränderung der Prüfungs- und Studienordnungen nach sich", meint Christian Thomsen, der sich bei seiner Vision auf ein Gutachten der Beratergruppe A.T.Kearney stützt.Die Analysten hatten in den komplizierten Prüfungsordnungen der einzelnen Fachbereiche ein erhebliches Rationalisierungspotential für die TU-Verwaltung ausgemacht.Die vielen Prüfungsordnungen für alle Studiengänge zu entschlacken, war eine ausdrückliche Empfehlung ihres Abschlußberichtes vom vergangenen Juli.

"Auch die Ergebnisse unserer internen Evaluierung müssen stärker auf die Qualität der Lehre zurückwirken", sagt Christian Thomsen und legt damit den Finger auf einen besonders wunden Punkt."Bisher geben wir die Kritik der Studenten an die Fachbereiche weiter, ohne wirklich zu kontrollieren, ob sich etwas verbessert." In Zukunft sollen den Studenten und Professoren sogenannte Studiendekane als Ansprechpartner zur Seite gestellt werden, die sich der Kritik an Lehrveranstaltungen annehmen."Dauerhafte Einbußen bei der Qualität der Lehre werden über empfindliche Einbußen beim Lehrpersonal bestraft", stellt Christian Thomsen in Aussicht."Ein Viertel unserer variablen Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter vergeben wir künftig nach Leistung in der Lehre.Die Kriterien dafür zu erstellen, ist eine Aufgabe des kommenden Semesters."

Doch auch auf die Studenten kommen härtere Zeiten zu: "Wir überlegen, eine Zwischenprüfung nach den ersten beiden Semestern einzuführen, um die Studenten schon vor dem Vordiplom auszusieben.Dieser Leistungsdruck wird die Zahl der Abbrecher drastisch senken." So neu ist diese Erfindung nicht, an den Unis der DDR etwa waren solche Tests selbstverständlich.Große Hoffnungen setzt die TU darüberhinaus auf ein breiteres Angebot für Aufbaustudien und Weiterbildung, freilich gegen Gebühren.Wer mehr Bildung will, soll dafür ruhig zahlen.

Christian Thomsen: "Das Geld wird den Fachbereichen zugute kommen.Die Universität behält nur einen gewissen Teil für zentrale Aufgaben ein." So soll im Herbst über die neue Prüfungsordnung für den Aufbaustudiengang "Global Production Engineering" entschieden werden.Die Höhe der Gebühren steht noch nicht fest.Auch das "European Credit Transfer System" (ECTS) wird forciert.Mit diesem System soll die gegenseitige Anerkennung von Lehrleistungen auch über Ländergrenzen hinweg ermöglicht werden.Dabei erhält jedes Fach eine bestimmte Anzahl von Punkten.Beim Wechsel an eine andere Hochschule erfolgt dann automatisch die Anerkennung.Für die Studiengänge in Chemie und Betriebswirtschaftslehre hat die TU dieses System erstmals durchexerziert.

"Im Prinzip sollte man bei der Anerkennung fremder Lehrveranstaltungen sehr großzügig sein", meint TU-Vizepräsident Thomsen.Es sei Sache des Studenten, ob er die geforderten Leistungen mitbringe oder sie sich abends nachträglich erarbeiten müsse.Thomsen: "So etwas regelt sich über die Prüfungen von selbst."

Noch dominiert an der TU allerdings die konservative Auffassung, daß jeder Student seine Lehrleistungen von anderswo detailliert nachweisen muß - ganz gleich, ob er aus Nordrhein-Westfalen oder aus Buenos Aires kommt.Das beschäftigt Legionen von Angestellten in den Prüfungsbüros, und sorgt bei Studenten und Professoren gleichermaßen für Verdruß.

Doch in den nächsten sieben Jahren gehen rund zwei Drittel der Professoren aus Altersgründen in den Ruhestand.Eine Vielzahl der 329 freiwerdenden Professuren wird mit jüngeren Leuten neu besetzt.Vielleicht zieht mit ihnen auch ein neues Denken ein.

Die TU Berlin in Zahlen

Studentenzahl: Die Technische Universität hat zur Zeit 30 603 Studenten und ist unter den Technischen Universitäten damit zur Zeit die größte.An zweiter Stelle folgt die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen mit 29 915 Studenten und an dritter Stelle steht die Technische Universität Dresden mit 24 093 Studenten.An der TU gibt es über 50 Studiengänge

Nachdem in den vergangenen Jahren die Zahl der neuimmatrikulierten Studenten rückläufig war, hat die TU Berlin seit dem Wintersemester 1998/99 einen leichten Zuwachs zu verzeichnen auf jetzt 4242 neue Studenten.Nach wie vor ist der Anteil der ausländischen Studenten an der Berliner TU besonders hoch: Er beträgt 18,7 Prozent im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 8,6 Prozent.Die 5749 ausländischen Studenten kommen aus mehr als 130 Ländern.

Forschung: Die Technische Universität hat 120,3 Millionen Mark an Drittmitteln für die Forschung eingeworben.Sechs Graduiertenkollegs zur Förderung der Doktoranden gibt es zur Zeit an der TU.Acht Sonderforschungsbereiche von insgesamt 24 an den drei großen Berliner Universitäten entfallen auf die TU.

Organisation: Noch gliedert sich die Technische Universität in 15 Fachbereiche; die Neugliederung in acht Fakultäten ist im Gange.Die Sparauflagen zwingen die TU, ihr Personal von 640 Professuren auf 320 nach dem Jahr 2000 zu verringern.

HEIKO SCHWARZBURGER

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false