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Gesundheit: „Wir wollen die Besten“

Jung, talentiert, frei: So lautet das Erfolgsrezept für eine wissenschaftliche Elite, sagt der Biologe Fotis Kafatos

Herr Kafatos, Sie waren jahrelang an der HarvardUniversität nahe Boston tätig, bevor Sie 1993 Chef vom EMBL wurden. Was bräuchte man für ein Harvard in Deutschland?

Eins vorweg: Es muss die Möglichkeit für Elitezentren geben, die Modell und Motor sind und die Wissenschaft vorantreiben. Nehmen Sie Boston. Dort gibt es ja nicht nur Harvard, sondern auch das MIT, Boston University, Brandeis... So ein Zentrum vibriert. Es strahlt aus. Deshalb ist die Förderung der Besten nicht undemokratisch. Es ist effizient und ein Vorbild für andere Institute.

Was braucht man, damit es vibriert?

Ich selbst habe ein bisschen Erfahrung damit, weil ich ein Forschungsinstitut in Griechenland aufgebaut habe, aus dem Nichts. Wir haben es geschafft, das beste Institut für Lebenswissenschaften zu errichten.

Wie haben Sie das gemacht? Gibt es ein Rezept für Elite-Universitäten?

Ein festes Rezept gibt es nicht. Man kann Harvard nicht kopieren. Man muss so eine Einrichtung dem Land anpassen.

Auf welche Grundzutaten kann man nicht verzichten?

Die erste Zutat ist das Vertrauen in junge Leute. Das fehlt in Deutschland, es fehlt überhaupt in Europa, wenn man das mal mit den USA vergleicht...

...wo der 30-jährige Professor keine Ausnahme ist...

...ja. Menschen in meinem Alter – ich bin 63 – haben in Europa eine zu dominante Stellung. Am EMBL praktizieren wir das bewusst anders. Wir versuchen, die besten Wissenschaftler der Welt an Land zu ziehen. Die können Ende 20, Anfang 30 sein. Wenn wir sie mal eingestellt haben, besitzen sie die gleiche Autonomie wie ein Direktor. Wie ich. Sie erforschen ihre eigenen Ideen.

Zum Beispiel?

In meinem Labor gibt es zum Beispiel eine französische Doktorandin, die die Malariaforschung entscheidend vorangebracht hat. Es ist ja erstaunlich, dass manche Mücken den Malaria-Parasiten übertragen, während andere ihn zerstören. Zusammen mit Kollegen hat meine Mitarbeiterin entdeckt, dass bestimmte Eiweiße der Mücke den Malaria-Parasiten töten. Weitere Forschungen haben gezeigt, dass andere Eiweiße den Parasiten schützen. Man könnte also Substanzen entwickeln, die die zerstörerischen Eiweiße unterstützen. Oder solche, die die schützenden Eiweiße hemmen. So ließe sich die Malaria schon bei der Mücke bekämpfen, statt erst beim Menschen.

Wie finden Sie diese jungen Talente?

Wir haben sehr viele gute Wissenschaftler, die die Auswahl treffen. Und die suchen nicht etwa einen Assistenten, der ihnen Arbeit zuliefert. Unsere Wissenschaftler haben selbst einmal diese Rekrutierung durchlaufen und wollen ebenso unabhängige und kreative Menschen wie sie es selbst sind. Ich habe übrigens beobachtet, dass mittelmäßige Wissenschaftler eher an Institute wollen, an denen sie auf Kollegen treffen, die schlechter sind als sie selbst. Große Talente dagegen suchen für gewöhnlich noch bessere Köpfe als sich selbst. So entsteht eine Eigendynamik zur Elite.

Aber können Sie wirklich mit Harvard oder Stanford konkurrieren?

Warum nicht? Die Leute wollen ja nicht nur in den USA, sondern genauso gern oder sogar lieber in Europa arbeiten – wenn es einen Platz gibt, wo sie so produktiv sein können wie in den USA. Wir stellen fest, dass viele Forscher, die wir aus dem Ausland angezogen haben, auch in Europa bleiben.

Was braucht man noch für ein Elite-Institut?

Sie brauchen Geld. In Europa hat man definitiv zu wenig Geld für Forschung und Ausbildung übrig. Die EU hat sich 2000 in Lissabon das Ziel gesetzt, Europa bis zum Jahr 2010 zur wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaft der Welt zu machen. Dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen.

Warum nicht?

Es wird nicht genügend investiert. Das Ziel, drei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben, ist bescheiden – und doch sind wir in Europa noch nicht einmal dort. Im Schnitt geben wir gerade mal zwei Prozent für Forschung aus. Ausnahmen sind Schweden und Finnland. Am EMBL haben wir deshalb jetzt eine Privatstiftung gegründet. Sie erlaubt es uns, mit Hilfe privater Mittel dringend notwendige Forschung vorzunehmen, zum Beispiel bei Infektionskrankheiten und Alterserkrankungen wie Diabetes oder Parkinson.

Sie sind jetzt 63. In Deutschland geht ein Professor mit 65 üblicherweise in Rente. Was machen Sie?

Ich bin gegen allzu feste Regulierungen. Man sollte die Möglichkeit haben, das lokal zu regeln.

Sie wollen beim EMBL bleiben.

Das EMBL hat auch Altersbegrenzungen.

Was werden Sie tun?

Oh, es gibt im Moment zwei Orte, mit denen ich liebäugle. Mehr kann ich nicht sagen. Ans Aufhören aber denke ich nicht.

Das Gespräch führten Bas Kast und Hartmut Wewetzer .

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