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Gesundheit: Wissenschaftliche Reliquien

Ein neuer Blick auf Virchows Pathologisches Museum

Gar zu gern wäre der Berliner Pathologe Rudolf Virchow Pfarrer geworden, aber wegen seiner „schwachen Stimme“ entschied er sich schließlich für die Medizin – mit der Begründung, sie stehe „der erhabenen Theologie“ am nächsten. Wie nahe er dort Medizin und Wissenschaft stehen sah, zeigt eine Äußerung von 1849: „Ich scheue mich nicht zu sagen, es ist die Wissenschaft für uns Religion geworden.“ Als Krönung seines Lebenswerkes betrachtete der Universalgelehrte, der Sammler und Politiker Virchow die Eröffnung des Pathologischen Museums zu seinem 80. Geburtstag im Jahre 1901.

Dass sein PräparateMuseum einen quasi-sakralen Charakter hatte, arbeitet die Historikerin Angela Matyssek in ihrem Buch „Rudolf Virchow – Das Pathologische Museum – Geschichte einer wissenschaftlichen Sammlung um 1900“ deutlich heraus (Erschienen im Steinkopff-Verlag, Darmstadt 2002, 182 Seiten, 91 Abbildungen, 49,95 Euro.) Der Volksaufklärer Virchow führte den „Kulturkampf“ gegen Obskurantismus auch mit Hilfe seines Museums. Am Sonntagvormittag, zur Kirchgangszeit, war die Schausammlung auch fürs Volk geöffnet. Am Eingang das Spektakulärste: Janusköpfige Fehlgeburten in gut ausgeleuchteten Vitrinen. Sie sollten darauf hinweisen, dass es natürliche Entwicklungsstörungen gibt, dass nicht etwa die Mütter vom Teufel besessen waren.

Die über 20 000 Präparate hatten den Zweck, die Entstehung von Krankheiten anschaulich vor Augen zu führen - waren also ein Aufklärungsprojekt. Zugleich aber war dies, so Angela Matyssek, ein „Museum säkularer wissenschaftlicher Reliquien“. R.St.

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