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Gesundheit: Wo liegt Rumänien?

Was europäische Jugendliche voneinander wissen: Eine Sommerakademie

So ganz klappt das mit dem einigen Europa bei Oana aus Rumänien und Ruth aus Wales noch nicht. Frage an die beiden Schülerinnen: „Wusstet ihr, wo das Land der anderen liegt?“ Die 16-jährige Ruth druckst: „Hm, mit Osteuropa ist das etwas schwierig. Also um ehrlich zu sein: Nein.“ „Waaas?“, unterbricht Oana, 15, empört. „Unglaublich! Bei uns kennt jedes Kind alle Länder in Westeuropa. Und die im Osten übrigens auch.“

Dann beginnen die beiden Schülerinnen zu lachen. Genau deswegen sitzen sie hier am Berliner Wannsee: Um herauszufinden, was sie über Jugendliche wissen, die wie sie in Europa wohnen, aber doch manchmal tausende Kilometer entfernt aufwachsen. Ticken die ähnlich wie wir? Bei welchen Themen werden wir nie übereinstimmen? Gibt es also so etwas wie eine europäische Identität, fragten sich 37 Schüler aus 13 Ländern im Berliner Wannseeforum. Dorthin hatte sie die Körber-Stiftung für eine Woche zur Sommerakademie „Baustelle Europa – Wir bauen das europäische Haus“ eingeladen.

Ein Ost-West-Gegensatz besteht im Europa-Haus noch immer – nicht nur, was die Geografie-Kenntnisse angeht, merkten Oana und Ruth schnell. Osteuropäer waren stark vertreten. Franzosen, Spanier und Engländer suchten sie dagegen in Berlin vergeblich. „Dort ist die Resonanz bisher gering“, sagt Ulla Geske von der Körber-Stiftung. „Die Westeuropäer wissen eigentlich nichts über uns, während wir uns ständig mit ihnen beschäftigen“, kritisiert Oana mit einem strengen Seitenblick auf Ruth. „Wir sind einfach zu weit weg von Europa“, entgegnet Ruth. Sie meint damit nicht nur die geografische Entfernung.

Da man Menschen am besten kennen lernt, wenn man mit ihnen zusammenarbeitet, ging es bei der Sommerakademie zu wie auf einem wissenschaftlichen Kongress: In sechs Gruppen untersuchten die Schüler Themen wie Migration, Religion und Alltagsleben und präsentierten ihre Ergebnisse dann am letzten Nachmittag. Oana drehte ein Video zum Thema Geschlechterrollen. „Ich will nicht ein normaler Macho-Mann sein“, sagt da ein 14-jähriger Norweger – ein großes Hallo und Lachen vor allem bei den Jungs vom Balkan. „Wen interessiert, was die Männer wollen?“, fragt ein junge Russin – Jubel bei den Mädchen aus allen Ländern.

Persönlich haben sich die Jugendlichen auf jeden Fall besser kennen gelernt. Aber lernten sie auch etwas über Europa? Ruth hat mit ihrer Gruppe erfahren, warum der politische Entscheidungsprozess auf der europäischen Ebene manchmal so schwierig ist. Sie baute eine Webseite, auf der die Schulsysteme in den einzelnen Ländern verglichen werden. Das Thema fand die Waliserin zunächst „nicht wirklich spannend“, dann aber sehr erhellend: „Ich wusste nicht, dass es allein in Deutschland 16 verschiedene Systeme gibt und in Europa nochmal jedes Land andere Regeln für die Schulen hat. Wie man das jemals vereinheitlichen soll, ist mir schleierhaft.“

Die Berliner Sommerakademie fand dieses Jahr zum sechsten Mal statt. Die Teilnehmer siegten zuvor in ihren Ländern in historischen Forschungswettbewerben für Jugendliche. Die wurden von Partnerorganisationen des so genannten Eustory-Netzwerks veranstaltet, das Schüler anspornen will, sich mit der Vergangenheit ihres Landes auseinander zu setzen. Das Thema Europa war bei der Sommerakademie jedoch neu.

Und gibt es nun eine europäische Identität? Da sind sich Oana („Ja!“) und Ruth („Nein, haben wir nicht alle eigene Vorstellungen?“) auch nach einer Woche gemeinsamen Forschens nicht einig. Zumindest äußerlich ist der Unterschied zwischen Wales und Rumänien gering: Beide tragen in der Sommerhitze fast identische Tops und halblange Jeans, aber das tun Mädchen in Peru und Indien wahrscheinlich auch. Den nächsten Urlaub will Ruth auf alle Fälle bei einer der neuen Freundinnen aus Osteuropa verbringen, deren Länder sie bis vor kurzem noch nicht einmal auf der Landkarte orten konnte.

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