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Zöliakie: Getreide als Gefahr

Die Darm-Krankheit Zöliaklie wird viel zu selten erkennt. Betroffene Patienten vertragen ein häufiges Eiweiß in der Nahrung nicht, die Folgen sind Entzündungen am Dünndarm.

Verdauungsbeschwerden hatte Frau M. seit Jahren: Schmerzen, einen aufgeblähten Bauch und immer wieder Durchfall. Fast jeder kennt das, und es gibt dafür viele Ursachen. Aber bei Frau M. war das ein Dauerzustand. Sie nahm ab bis zur Auszehrung, war blass im Gesicht vor Blutarmut, niedergeschlagen, wurde immer schwächer. Da endlich schöpfte ein Arzt Verdacht, nachdem Labortests eine Malabsorption, also eine unzureichende Verdauung, ergeben hatten, und überwies sie in die Zöliakie-Sprechstunde auf dem Charité-Campus Benjamin Franklin.

Einer der Ärzte der dortigen Magen-Darm-Klinik, Michael Schumann, sprach auf dem Deutschen Ärztekongress über die noch zu wenig bekannte Zöliakie, die meist erst mit großer Verzögerung oder auch gar nicht erkannt wird. Diese chronische Dünndarmentzündung gilt als Autoimmunkrankheit mit noch unzureichend erforschtem Entstehungsmechanismus, aber bekanntem Auslöser: Gluten. Schon Säuglinge leiden unter dieser Krankheit, aber auch noch im mittleren und höheren Lebensalter tritt sie neu auf.

Von Zöliakie sprach man bis vor kurzem nur bei Kindern, von Sprue (sprich: Spru) hingegen bei Erwachsenen. Nachdem man nun weiß, dass es sich um dasselbe Leiden handelt, einigten die Wissenschaftlicher sich international auf „coeliac disease“, deutsch: Zöliakie, bei Patienten jeden Alters.

Zugrunde liegt der Zöliakie eine – noch nicht genügend erforschte – genetische Veranlagung, ausgelöst wird sie nur unter bestimmten, noch ungeklärten Bedingungen durch Gluten (Betonung auf der zweiten Silbe). Das ist das „Klebereiweiß“ in wichtigen Getreidearten. Weizenmehl zum Beispiel enthält 7 bis 15 Prozent Protein, davon besteht 90 Prozent aus Gluten.

Dünndarm wird angegriffen

Zöliakiekranke vertragen kein Gluten. Ihr Dünndarm reagiert darauf mit einer heftigen Entzündung, die seine Funktion auf die Dauer stark beeinträchtigt. Dann kann er die Nahrung nicht mehr ausreichend in ihre Bestandteile aufspalten und für den Organismus verwertbar machen. Ein Teil wird unverdaut ausgeschieden. Die Folge: Unterernährung mit Mangel an essentiellen Stoffen wie Eisen und Vitaminen.

Beim Gesunden ist die Oberfläche der Dünndarmschleimhaut durch Falten und Zotten derart vergrößert, dass sie, geglättet, einen Tennisplatz bedecken würde. Die Schleimhaut Zöliakiekranker hingegen ist oft schon bei Diagnosestellung ganz flach. So, als wenn eine Bürstenfrisur zur Glatze wurde. Die Diagnose wird gesichert durch Gewebeproben, die dieses typische Dünndarmbild zeigen, kombiniert mit bestimmten Labortests, vor allem der Bestimmung von Antikörpern gegen Glutenbestandteile.

Die Diagnose kann schwierig werden, bemerkte Schumann. Denn von Patient zu Patient variieren Symptome und Schweregrad der Zöliakie stark, und sie haben sich in den letzten Jahren auch sehr geändert. Insgesamt ist nach Expertenschätzung bei uns jeder Hundertste in irgendeiner Art von Zöliakie betroffen. Aber nur bei jedem Tausendsten zeigt sich das typische Bild der Krankheit. Die anderen haben nur einzelne Symptome wie etwa eine Eisenmangelanämie – oder auch gar keine, aber Antikörper und Darmschleimhautschrumpfung.

Auch diese „Nichtpatienten“ sollten sich ärztlich überwachen lassen, denn die Zöliakie ist oft mit anderen Krankheiten verbunden und führt auch zu einem erhöhten Krebsrisiko. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute: Bei den allermeisten Zöliakiekranken verschwinden die Beschwerden nach wenigen Wochen der Behandlung. Nach einigen Monaten regeneriert sich der Dünndarm, und auch die Krebsgefahr sinkt wieder.

Und die Therapie? Das ist kein chirurgischer und auch kein medikamentöser Eingriff (von Ausnahmen abgesehen).

Zur Heilung ist nur die strikte und ständige Vermeidung glutenhaltiger Nahrung nötig. „Nur“ ist freilich leicht gesagt. Es ist zwar relativ einfach, die Hauptglutenlieferanten Weizen, Roggen, Gerste, auch Dinkel und Grünkern zu meiden, denn Reis, Mais, Buchweizen oder Hirse sind ein guter Ersatz.

„Bei Hafer wird jetzt viel hin- und herdiskutiert“, sagte Schumann. Er enthält zwar kein Gluten, Haferprodukte können aber damit verunreinigt sein, wenn sie aus derselben Mühle kommen wie Weizen oder Roggen.

Problematisch ist vor allem, dass Gluten nicht nur in Backwaren, Nudeln oder Müsli ist, sondern versteckt auch in vielen Gerichten (paniertes Schnitzel!) und Fertigprodukten (zum Beispiel Senf), wo es neuerdings aber zu deklarieren ist.

Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V., Filderhauptstraße 61, 70599 Stuttgart, Telefon 0711/45 99 81 od. E-Mail: info@dzg-online.de, Internet: www.dzg-online.de

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