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Gesundheit: Zurück zum Mond

Die erste europäische Mondsonde schwenkt in ihre Umlaufbahn ein und blickt in die Geschichte unseres Trabanten

Von Rainer Kayser, dpa

Seit den Apollo-Mondflügen von 1968 bis 1972 ist die Oberfläche des Mondes für uns ein vertrauter Anblick: Eine von unzähligen Einschlagkratern übersäte Landschaft. Jetzt lieferte erstmals auch eine europäische Sonde Bilder von unserem Erdtrabanten. Doch „Smart-1“, so der Name der Sonde, soll nicht einfach wiederholen, was Amerikaner und Russen schon vor Jahrzehnten vollbracht haben. Vielmehr soll das 350 Kilogramm leichte Raumgefährt von der Größe einer Waschmaschine den Forschern dabei helfen, Fragen nach der Entstehung und Entwicklung des Mondes zu beantworten – und womöglich künftige bemannte Missionen vorbereiten.

Über ein Jahr dauerte die Reise von Smart-1 zum Mond: Die Schubkraft ihres neuartigen Ionenantriebs ist zwar klein, doch dafür ist sein Treibstoffverbrauch im Vergleich zu herkömmlichen chemischen Raketen unschlagbar gering. Gerade einmal 50 Kilogramm des Edelgases Xenon verbraucht Smart-1 insgesamt. Dadurch konnte die Esa die Sonde deutlich kleiner und billiger bauen als konventionelle Raumfahrzeuge: nur 100 Millionen Euro kostete das Leichtgewicht.

Nach dem Einschwenken in eine 1000 bis 5000 Kilometer hohe Umlaufbahn am 15. November vergangenen Jahres schalteten die Techniker den Antrieb ab, um erste wissenschaftliche Beobachtungen zu machen. Mit einer Miniaturkamera kartografieren die Forscher zunächst die gesamte Mondoberfläche, später sollen aus niedrigerem Orbit detailliertere Bilder interessanter Regionen hinzukommen.

Durch die Kombination von mit mehreren Filtern, aus verschiedenen Blickwinkeln und bei unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnissen aufgenommenen Bildern erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Geschichte des Mondes. Spezielle Detektoren sollen zudem die Zusammensetzung der Mondoberfläche analysieren.

Mit Smart-1 läutet die Esa eine Renaissance der Mondforschung ein: Auch die USA, China, Japan und Indien planen noch für dieses Jahrzehnt die Entsendung unbemannter Sonden zum Erdtrabanten. Die europäischen und amerikanischen Sonden dienen möglicherweise auch der Vorbereitung einer bemannten Rückkehr zum Mond. Vor mehr als 30 Jahren brachten sowohl die Apollo-Astronauten, als auch eine Reihe sowjetischer Robotsonden zahlreiche Gesteinsproben vom Mond zurück zur Erde. Doch diese Proben stammen alle aus der äquatornahen Region der erdzugewandten Seite des Mondes und sind daher nach heutigen Erkenntnissen alles andere als repräsentativ für die ganze Oberfläche des Erdtrabanten. Denn die Mondrückseite und die polaren Regionen haben eine völlig andere geologische Geschichte als die von großen Lavaebenen, den Maren, bedeckte Vorderseite des Mondes.

In den 1990er Jahren lieferten die beiden amerikanischen Sonden „Clementine“ und „Lunar Prospector“ erste Daten über die chemische Zusammensetzung der gesamten Mondoberfläche. So konnten die Instrumente des Lunar Prospector große Wasserstoff-Vorkommen an den Mondpolen nachweisen. Doch viele Fragen blieben bis heute offen. So auch, ob dieser Wasserstoff in Form von gefrorenem Wasser in ewig im Schatten liegenden Kratern vorliegt. Solche Wasservorräte könnten entscheidende Vorteile beim Bau einer permanenten, bemannten Basis auf dem Mond bieten – nicht nur für die Produktion von Trinkwasser und Atemluft, sondern auch zur Herstellung von Raketentreibstoff.

Die Suche nach gefrorenem Wasser im ewigen Schatten polarer Krater gehört zu den schwierigsten Aufgaben von Smart-1. Dabei kommt das Infrarot-Spektrometer zum Einsatz, das bei 256 unterschiedlichen Wellenlängen nach der charakteristischen Wärmeabstrahlung unterschiedlicher Stoffe Ausschau hält. Zum Vergleich: Die Sonde Clementine konnte lediglich bei sechs verschiedenen Wellenlängen messen. Die Forscher wollen so auch die Verteilung von Mineralien wie Olivin oder Feldspat auf der gesamten Mondoberfläche kartografieren. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die zeitliche Abfolge von Lavaflüssen und Krater-Einschlägen ziehen.

Mit dem Röntgen-Spektrometer hat Smart-1 noch eine weitere Spürnase an Bord, die nach chemischen Elementen auf der Mondoberfläche suchen soll. Das Ziel ist es, neue Erkenntnisse über die Entstehung des Erdtrabanten zu gewinnen. Die Mehrheit der Forscher ist heute davon überzeugt, dass der Mond durch den Zusammenstoß der jungen Erde mit einem etwa marsgroßen Himmelskörper entstanden ist. Aus den in die Erdumlaufbahn geschleuderten Trümmern bildete sich dann der Mond.

Wenn die Theorie korrekt ist, sollte die Mondkruste weniger Eisen, aber mehr leichte Elemente wie Magnesium und Aluminium als die Erde enthalten. Smart-1 ist die erste Sonde, mit der die Wissenschaftler die relativen Anteile dieser Elemente für die ganze Mondoberfläche untersuchen können. Die Röntgenstrahlung der Sonne regt die Atome an der Mondoberfläche zur Fluoreszenz an: Sie senden dadurch ihrerseits Röntgenstrahlung aus, deren Energie charakteristisch für die jeweiligen chemischen Elemente ist. Nun können die Wissenschaftler diese Fluoreszenzstrahlung empfangen und analysieren.

Für genaue Messungen muss die Sonde aber zunächst in eine niedrigere Umlaufbahn bringen. In dieser Woche feuert der Antrieb der Sonde noch einmal, um die elliptische Umlaufbahn erreicht, die in 300 Kilometern Höhe über den Südpol und in 3000 Kilometern Höhe über den Nordpol des Erdtrabanten führt. Sechs Monate lang wird die Sonde von dort aus den Mond mit ihren Instrumenten unter die Lupe nehmen.

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