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Gesundheit: Zweifelhafte Hochschulreife

Von George Turner, Wissenschaftssenator a.D.

Für die Bildungspolitik typisch sind widersprüchliche Meldungen und Vorschläge: Schätzungen über die Gesamtzahl der Studierenden ergeben, dass diese voraussichtlich in spätestens zehn Jahren von zwei Millionen auf 2,7 Millionen gestiegen sein wird. Auf der anderen Seite wird seit langem die fehlende Studierfähigkeit eines bemerkenswerten Teils der Studenten beklagt.

Die Befähigung, ein Studium mit Erfolg zu absolvieren, ist nicht allen gegeben, welche die Abschlussprüfung der Schule bewältigt haben. Zwar wird diese mit Hochschulreife gleichgesetzt; die Realität zeigt aber eine deutliche Kluft. Auch wenn die Schule noch so große Anstrengungen unternimmt – es wird weiter ungeeignete Studenten geben. Das wird bei einem gestuften Ausbildungssystem mit dem Bachelorabschluss nicht anders werden, auch wenn ein Grund für die Einführung die Erwartung ist, die geringeren Anforderungen im Verhältnis zum Diplom würden zu weniger Studienabbrechern führen. Auch eine von manchen geforderte Auswahl der eigenen Studierenden und Hochschuleingangsprüfungen würden daran nichts Grundsätzliches ändern. Im Übrigen: Studienabbrecher, überforderte und nicht erfolgreiche Studenten hat es zu allen Zeiten gegeben.

Ein anderer Widerspruch liegt in der vor allem von der OECD gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderung, Deutschland müsse, da es im Vergleich zu anderen Industrienationen zu wenige Hochschulabsolventen habe, mehr Studierende zu einem Abschluss bringen und der Feststellung, das Abschlusszeugnis einer Hochschule sei keine Garantie für eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit und Vergütung.

Ein Mangel an Absolventen gibt es von Zeit zu Zeit in bestimmten Fächern. Ebenso kann es auch zu einem Überschuss kommen – und das sogar auf demselben Gebiet. Das beste oder auch schlechteste Beispiel ist der Lehrerberuf: Herrscht Mangel, wird geworben. Zeigt die Werbung Wirkung, finden Absolventen keine Anstellung – und es wird vor der Aufnahme des entsprechenden Studiums gewarnt. Wer nicht eine ohnehin zum Scheitern verurteilte Planwirtschaft will, muss diesen Effekt in Kauf nehmen.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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