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Panorama: Glück im Unglück

ICE kollidiert im Tunnel mit Schafherde – die Wände verhüten Schlimmeres

Kalbach/Fulda - Am Tag nach dem schweren ICE-Unglück bei Fulda liegen die toten Schafe neben der Einfahrt des Eisenbahntunnels. Die Kadaver von mehr als 20 Tieren sind neben der Gleisröhre an dem idyllisch gelegenen Waldstück im osthessischen Kalbach aufgehäuft. Die Fahrgäste des Schnellzuges hatten sagenhaftes Glück: Von den 135 Reisenden verletzten sich nach Angaben von Bahn und Bundespolizei 19 leicht und 4 schwer. Sie erlitten Knochenbrüche sowie Prellungen.

Die meisten Insassen kamen mit dem Schrecken davon, als der ICE am Samstagabend gegen 21 Uhr mit 220 Stundenkilometern in eine Schafherde raste und dann in dem zweigleisigen Landrückentunnel, dem mit mehr als zehn Kilometern längsten Eisenbahntunnel Deutschlands, entgleiste. „Das Ausmaß der Schäden im Tunnel ist erheblich, die Schienen sind zum Teil total zerstört“, sagte der Sprecher der Bundespolizei in Koblenz, Reza Ahmare. Zehn der zwölf Waggons sowie die beiden Triebköpfe seien entgleist. Die Bahn schätzte den Schaden auf „viele Millionen Euro“. Die Bergung der demolierten Waggons werde wohl noch Tage dauern.

Der Zug raste nach der Kollision trotz Notbremsung noch hunderte Meter in den elf Kilometer langen Landrückentunnel hinein. Als die Tiere sich unter den vorderen Achsen verkeilten, entgleisten fast alle Waggons und Triebwagen. „Die Fahrgäste hatten Glück, dass es in einem Tunnel geschehen ist. Die Wände haben Schlimmeres verhindert. Auf freier Strecke hätte es zu einer Katastrophe führen können“, sagte ein Bundespolizeibeamter. Die Bahn rechnet für den Fernverkehr auf der ICE- Strecke Hamburg-München mit Verspätungen von bis zu 30 Minuten. Unklar ist noch, wie die Schafherde in den Tunnel gelangen konnte.

„Ich habe einen lauten Knall gehört. Dann wurde der Zug durchgeschüttelt. Ich bin froh, dass ich lebe“, sagte eine Augenzeugin später. Als der Zug zum Stehen kam, konnte sie wie auch die anderen erschrockenen Fahrgäste den ICE durch die Türen verlassen. Sie stolperten durch den Staub und die Dunkelheit ins Freie. „In der Röhre war ein unglaublicher Qualm und Staub, ich dachte, ich ersticke“, berichtete die 47-Jährige. „Ich bin noch immer grau von Kopf bis Fuß wie am 11. September in New York.“ Etwa 50 Meter vor dem Ausgang traf die Münchnerin auf die Schafe. „Erst sah man nur eine Fleischmasse, später erkannte ich tote Schafe, halbtote Schafe, ein paar haben auch noch gelebt und mich angesehen.“ Am Tunnelausgang empfingen Sanitäter, die Feuerwehr und Rettungskräfte die Unfallopfer. Die drei Schwerverletzten wurden in ein Krankenhaus gebracht. Danach wurden die Reisenden mit Bussen zum Bahnhof in Fulda gefahren oder in das Gemeindezentrum eines nahe gelegenen Ortes, wo sie weiterversorgt wurden.

Am Tag danach wurden die Schafkadaver von einer Entsorgungsfirma in einen Container geladen und abtransportiert. Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks schleppten die übel stinkende Fleischmasse mit Eimern aus dem Tunnel. Etwa 60 THW-Arbeiter waren im Einsatz und unterstützten die anlaufenden Bergungsarbeiten in dem mit Scheinwerfern erleuchteten Tunnel. Jörn Perske, dpa

Jörn Perske[dpa]

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