zum Hauptinhalt
Eine Foto aus dem Jahre 2014 zeigt das Tunnelsystem in der polnischen Stadt Walbrzych (Waldenburg) in Niederschlesien. Wurde hier ein gepanzerter Zug der Nazis gefunden?

© dpa

Goldrausch in Niederschlesien: Existenz von "Nazi-Zug" in Polen offiziell bestätigt

Schatzfieber in Niederschlesien. Zwei Männer haben einen unterirdisch versteckten Zug aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt.

Die Existenz eines "Nazi-Zugs" in Niederschlesien ist offiziell bestätigt worden. Seit vielen Jahren kursieren in einer polnischen Stadt Legenden über einen Zug aus der Zeit des Nationalsozialismus - er soll gepanzert und voll mit Gold gewesen sein. "Der Ort bleibt geheim", sagte Zygmunt Nowaczyk, Vize-Bürgermeister von Walbrzych (Waldenburg) in Niederschlesien, am Mittwoch. Er vermied es zudem, von einem Zug zu sprechen, und benutzte stattdessen das Wort "Fund". Ein Deutscher und ein Pole hatten vor einer Woche über einen Anwalt mitteilen lassen, sie hätten Hinweise auf einen 120 bis 150 Meter langen gepanzerten Zug. In der Nähe von Walbrzych gibt es eine ganze Reihe unterirdischer Stollen, die die Nazis unter dem Codenamen "Riese" hatten bauen lassen. Geschützt vor Luftangriffen der Alliierten sollten dort ursprünglich Waffen produziert werden. Ein Teil der Stollen ist heute für Touristen offen.

Das Tunnelsystem zieht aber auch viele Schatzsucher an. Die Berichte über den Fund heizten in Polen die Gerüchte um einen Nazi-Zug voller Gold und Schmuck an, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in der Region verschwunden sein soll. Nowaczyk stellte klar, dass der "Fund" unabhängig von seinem Wert dem polnischen Staat gehöre. Der Anwalt der beiden Finder, Jaroslaw Chmielewski, sagte, die "staatlichen Instanzen" müssten entscheiden, was aus dem Fund werde.

In Niederschlesien gibt es nicht nur die Legende von Rübezahl. Seit Jahrzehnten sind Gerüchte über Schätze und Raubgold in den Tunneln und Stollen der Bergbauregion im Umlauf. Schätze, die die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs etwa von ermordeten Juden geraubt hatten und die sie vor dem Ende des Krieges nicht mehr rechtzeitig in den Westen schaffen konnten.

Ehe ihnen nicht zehn Prozent der angeblichen Edelmetalle und Militaria zugesichert werden, wollen sie keine näheren Angaben machen, hatten die beiden Männer noch Anfang der Woche gesagt. „Wir sind bereit, Sicherungsmaßnahmen durchzuführen“, sagte eine Polizeisprecherin im Nachrichtensender TVN24. Gemeindevorstand Jacek Cichura geht es erst einmal vorrangig um die Sicherheit der Bevölkerung. „Wenn der Zug tatsächlich existiert, ist er wahrscheinlich vermint. Er kann auch eine große Menge (des Grubengases) Methan erhalten“ sagte er der „Gazeta Wyborcza“. Die Zeitung berichtete am Donnerstag letzter Woche unter Berufung auf einen anonymen Informanten, die Schatzsucher hätten den Zug mit Hilfe von Georadaren in der Umgebung Walbrzychs gefunden. Er soll sich bis zu 70 Meter unter der Erde befinden.

„Das ist ein Fund von Weltrang, vergleichbar mit der Titanic“

Der Rundfunksender „Radio Wroclaw“ berichtete von neuen Spekulationen über den Fundort - der Zug befinde sich womöglich unter einer ehemaligen Bahnstation in Walim, wo im Mai heimlich gegraben wurde. Sechs Bohrlöcher wurden auf dem Gelände entdeckt - einen Antrag auf Grabungserlaubnis habe niemand gestellt, so Bürgermeister Adam Hausman. Zeitzeugen zufolge wurde im Mai 1945 in Walim ein Konvoi gesichtet, dessen Wagen die Zeichen der Reichsbank trugen. „Das ist ein Fund von Weltrang, vergleichbar mit der Titanic“, trumpfte Anwalt Chmielewski im Gespräch mit Radio Wroclaw auf. Doch dem Juristen geht es eher um die historische Bedeutung. „Mich wundert, dass von Gold die Rede ist“, sagte er. „Niemand weiß, was im Inneren (des Zuges) ist. Das kann ganz gewöhnliches Industriematerial sein.“ Über seine Klienten schweigt sich der Anwalt aus. Er wisse doch eigentlich gar nichts über den Fall, versichert er aufgeregten Journalisten. „Ich habe nur eine Rechtsberatung gegeben.“

Joanna Lamparska, niederschlesische Lokalhistorikerin, verweist darauf, dass in der Region um Walbrzych gleich zwei Züge mit Nazi-Gold in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs verschwunden sein sollen. So jedenfalls erzählt es die örtliche Legende. „Niemand konnte jemals die Existenz dieses Zuges beweisen“, warnte sie im Gespräch mit TVN24 vor überhöhten Erwartungen.

Ganz neu ist Schatzsuche in den Tunneln und Schächten Niederschlesiens nicht. In der Nähe von Walbrzych befand sich während des Zweiten Weltkriegs ein weitreichendes Tunnelsystem. Wegen der Luftangriffe in der Endphase des Krieges sollte Industrieproduktion unter die Erde verlagert werden. Vor Jahren machten bereits einmal Gerüchte die Runde, dass sich das legendäre Bernsteinzimmer in der Region befinden könnte, etwa in einem Tunnel mit Verbindung zum Fürstenschloss von Walbrzych. Bislang wurde nichts gefunden. Auch nun blühen wieder Spekulationen. So werden mal bis zu 300 Tonnen Gold in dem geheimnisvollen Zug vermutet, mal eine Ladung Diamanten. Andrzej Gaik, der heute Touristen durch das alte Fürstenschloss von Walbrzych führt, glaubte jahrelang an die Legende vom „goldenen Zug“ und ging auf Schatzsuche - vergeblich, wie er am Mittwoch im polnischen Fernsehen einräumte. „Meiner Meinung nach ist noch niemand auf die Spur des Zuges gestoßen“, sagte er voller Skepsis. (dpa, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false