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© dpa

Golf von Aden: Piraten kapern deutschen Tanker

Der Tanker "Longchamp" wurde nach heftigen Schusswechseln vor Somalia geentert. Die deutsche Marine konnte nicht eingreifen.

Es war wohl eine von langer Hand geplante konzertierte Aktion. Mit mindestens zehn bis zwanzig Booten seien die Piraten im Golf von Aden in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auf Beutezug gewesen, berichtet Fregattenkapitän Roland Vogler-Wander vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam. Von Potsdam aus werden die Auslandseinsätze deutscher Soldaten koordiniert und überwacht – auch die derzeitigen deutschen Aktivitäten beim Kampf gegen die Piraterie am Horn von Afrika haben die Potsdamer auf dem Schirm.

Was sich bei Dunkelheit in den frühen Morgenstunden des Donnerstags in dem Seegebiet am Horn von Afrika genau abspielte, da rüber gibt es allerdings auch beim Einsatzführungskommando nur wenige Informationen. Offenbar aber waren die Piraten nach Mitternacht mit mehreren Booten in See gestochen. Ihr Ziel: die Kaperung von einem Frachter oder gar mehreren Handelsschiffen, mithilfe derer sich erkleckliche Lösegelder vom Schiffseigner erpressen lassen.

Zwei Angriffe der Piraten konnte die Deutsche Marine mit ihren Fregatten „Karlsruhe“ und „Mecklenburg-Vorpommern“ in dieser Nacht gerade noch verhindern; bei einem dritten, dem Überfall auf den deutschen Gastanker „MV Longchamp“, waren die Piraten erfolgreich. In der Dunkelheit überwanden sie die nur 1,50 Meter hohe Bordwand und enterten schwer bewaffnet das Handelsschiff. Während des Überfalls gab es offenbar „einen heftigen Schusswechsel“, wie der Leiter des kenianischen Seefahrer-Hilfsprogramms, Andrew Mwangura, berichtete.

Seit 2.30 Uhr befinden sich der Tanker, der unter Flagge der Bahamas fährt und von dem Hamburger Unternehmen Bernhard Schulte betrieben wird, sowie 13 Besatzungsmitglieder aus den Philippinen und Indonesien nun in der Hand der Seeräuber. Sie sollen laut Mwangura und dem Kapitän der „MV Longchamp“trotz des gewaltsamen Übergriffs wohlauf und unverletzt sein. Da weder deutsche Seeleute an Bord sind noch das Schiff unter deutscher Flagge fährt, sind in Deutschland keine Behörden mit dem Entführungsfall und dem weiteren Schicksal der Geiseln befasst.

Offenbar konnte auch ein per Funk abgesetzter Notruf der Schiffscrew in der Nacht zum Donnerstag nicht aus der Bredouille helfen: Die indische Fregatte „Beas“ eilte laut Einsatzführungskommando zwar prompt herbei und bot an, an Bord zu kommen und die „MV Longchamp“ gewaltsam zu befreien. Der Kapitän lehnte dieses Angebot aber ab – nach Informationen des Tagesspiegels mit Verweis auf die gefährliche Ladung seines Schiffs. Der knapp 100 Meter lange Frachter hat Flüssiggas geladen.

Unklar ist, ob der Tanker bei seiner Fahrt auf dem Weg von Norwegen nach Vietnam von der Möglichkeit militärischen Konvoischutzes Gebrauch machte. Dieser kann auf der Homepage der von der EU geführten Anti-Piraterie-Mission „Atalanta“ angefordert werden. Laut Einsatzführungskommando verzichtete der Kapitän der „MV Longchamp“ auf eine entsprechende Unterstützung.

Die deutsche Fregatte „Karlsruhe“ hätte diese Aufgabe erfüllen können; das Kriegsschiff ist seit Ende Dezember für „Atalanta“ im Einsatz. Auch die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ operiert derzeit am Horn von Afrika, kann gekaperte Handelsschiffe aber nur im Rahmen der sogenannten Nothilfe unterstützen. Dagegen hieß es aus der für die „MV Longchamp“ zuständigen Reederei aus Nairobi, der Tanker sei in einem geschützten Konvoi unterwegs gewesen.

Vor der somalischen Küste sind in diesem Jahr bereits drei Schiffe von Piraten gekapert worden. Im Kampf gegen die Seeräuber hat die EU zurzeit vier Schiffe und drei Aufklärungsflugzeuge im Einsatz. Zehn weitere Länder, darunter Indien, haben ebenfalls Kriegsschiffe in die Region entsandt.

Sie sollen vor allem Containerschiffe und Tanker vor Angriffen im Golf von Aden schützen, der wichtigsten Handelsroute zwischen Europa, der arabischen Halbinsel und Asien. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB) in London insgesamt 111 Schiffe von somalischen Piraten attackiert worden. Dutzende wurden entführt. Die Seeräuber erpressten damit Lösegelder von schätzungsweise mehr als 30 Millionen Dollar. mit dpa

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