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"Graf Zeppelin": Erinnerungen an das Geisterschiff

Vor der Sprengung der "Graf Zeppelin" versuchten die Nazis, den Flugzeugträger zu verstecken. Ein Stettiner erinnert sich.

Stettin - Wenn sich Joachim Neumann aus Zinnowitz an seine Kindheit erinnert, hat er den riesigen dunklen Schiffstorso manchmal noch vor Augen. "Es war ein gigantisches Etwas, das da in den letzten Kriegswochen in der Mönne, einem Seitenarm der Oder, vor Stettin (Szczecin) lag", sagt der 70-Jährige. Damals war er neun Jahre alt. "Wegen der vielen Luftangriffe flüchteten Mutter und ich über die Oder mit dem Schiff zu den Großeltern nach Stepenitz (Stepnica), einem Dörfchen einige Kilometer nördlich von Stettin. Da habe ich den bedrohlich wirkenden Schiffskoloss gesehen, nicht weit entfernt von der im Dammschen See dümpelnden 'Marienburg', dem damaligen Flaggschiff des ostpreußischen Seedienstes."

In Stettin war der nie ganz fertig gestellte deutsche Flugzeugträger zu jener Zeit längst kein Gesprächsthema mehr. "Wir hatten andere Sorgen", erinnert sich Neumann: "Es war Krieg, die Bomben fielen, und man interessierte sich vor allem dafür, wo es in dem Chaos noch etwas zu essen gab!" Die in Kiel gebaute 262 Meter lange "Graf Zeppelin", die anfangs noch vor den Schlossterrassen lag, sei nur noch ein leeres Geisterschiff gewesen. Weil die Nazis Luftangriffe fürchteten, versuchten sie das Kriegsschiff etwas abseits der Stettiner Innenstadt zu "verstecken".

Im März 1945 flüchtete Neumann mit seiner Mutter mit einem Kohlekahn über die Oder vor den nahenden russischen Truppen. Die "Graf Zeppelin", deren Wrack vor wenigen Tagen in 86 Metern Tiefe vor der Danziger Bucht wiederentdeckt wurde, sah er nie wieder. Aus historischen Dokumenten erfuhr er später vom Schicksal des einzigen deutschen Flugzeugträgers.

Geheime Kommandosache 04994

Neumann hält ein Fernschreiben des Marinenachrichtendienstes in der Hand. In der als "Geheime Kommandosache 04994" deklarierten Vollzugsmeldung wird am 27. April 1945 um 15.20 Uhr bestätigt, dass die zwei Tage zuvor befohlene Sprengung der Zeppelin ausgelöst wurde. Offenbar sei dabei aber nicht alles glatt gegangen, vermutet Neumann.

Denn die Berichterstatter vermeldeten nur eine "lange starke Rauchentwicklung aus Schornstein und Schiff", eine "Meldung über die Durchführung" der Sprengung läge nicht vor. Möglicherweise habe es sogar Opfer gegeben. Denn das Sprengkommando, bestehend aus Oberbootsmann und sechs Mann, wurde anschließend vermisst. Es sei "bis jetzt nicht zurück", meldete der Berichterstatter und verbuchte die Männer als "Ausfälle".

Aus sowjetischen Marineunterlagen ging später hervor, dass der Bootskörper tatsächlich geflutet und in der Mönne auf Grund gesetzt worden war. Später ließen die Sowjets das Schiff wieder heben. Eine Zeit lang diente es bei Swinousjcie (Swinemünde) als Unterkunft für Mitarbeiter eines Beuteerfassungskommandos, ehe es 1947 zu Bombentests auf die Ostsee geschleppt und schließlich versenkt wurde.

"Teile der russischen Marine hatten sich seinerzeit gegen die Zerstörung des deutschen Flugzeugträgers ausgesprochen", sagt der Marinehistoriker Ullrich Hans-Joachim Israel, der bislang geheim gehaltene Unterlagen aus sowjetischen Archiven ausgewertet hat. In der Admiralität habe es Vertreter gegeben, die sich für das gerade erst entwickelte Bauverfahren interessiert hatten. Denn die "Graf Zeppelin" sei fast komplett elektrisch zusammengeschweißt worden.

Deutschland: "Graf Zeppelin" gehört den Russen

Das Wrack selbst könnte möglicherweise für immer auf dem Grund der Ostsee bleiben. Im Bundesverteidigungsministerium geht man davon aus, dass die "Graf Zeppelin" russisches Eigentum ist und Deutschland keine Besitzansprüche stellen könne. Es handele sich zwar um ein deutsches Marineschiff, das aber nie in Dienst gestellt und später zur sowjetischen Kriegsbeute wurde, hieß es zur Begründung. Russland sei als Rechtsnachfolger der Sowjetunion der Eigentümer des Wracks.

Falls Deutschland ein Interesse an dem Schiff haben sollte, müsste man sich "mit der russischen Seite abstimmen". In jedem Fall sei aber nicht das Verteidigungs-, sondern das Finanzministerium zuständig. Dort teilte man mit, dass selbst für den Fall, dass sich das Schiff im deutschen Besitz befinden sollte, "die Tendenz dahin geht, diese Schiffe dort zu belassen, wo sie sind". (Von Ralph Sommer, ddp)

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