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Am Minimum. Ein chinesischer Einwanderer verkauft an einem Strand vor Athen Kleider.

© REUTERS

Griechenland: Einmal Athen und zurück

Immer mehr Wirtschaftsflüchtlinge wollen lieber wieder in ihre Heimat, als in Griechenland bleiben.

Sie kommen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Sie zahlen Schleusern horrende Summen, riskieren sogar ihr Leben, um über die Ägäis oder den Grenzfluss Evros aus der Türkei nach Griechenland zu gelangen. Sie fliehen vor Armut und Krieg aus Afghanistan und Bangladesch, aus dem Irak, aus Marokko oder Nigeria. Doch das krisengeschüttelte Griechenland ist inzwischen so tief in Krise und Arbeitslosigkeit abgerutscht, dass immer mehr illegale Einwanderer jetzt wieder in ihre Heimatländer zurückkehren wollen.

Asif nennt sich der junge Mann. Er kauert im Schatten eines Straßenbaumes. Wie er warten Dutzende Männer an diesem heißen Juni-Vormittag vor dem Haus Nummer 6 in der Athener Lukian-Straße. Im zweiten Stock befindet sich die pakistanische Botschaft. Dort hoffen die Männer auf Papiere, Reisedokumente für die Heimkehr und ein Flugticket. Auch Asif hat keinen Pass. „Die sollten wir vor der Grenze wegwerfen, haben uns die Schleuser gesagt: „Sonst werdet ihr sofort wieder abgeschoben“.

Fast 5000 Dollar hat Asif den Schleusern bezahlt, die ihn und sieben andere Männer in fünf Wochen über den Iran und quer durch Anatolien an die türkische Ägäisküste brachten. Dort bestiegen sie mit anderen Migranten ein morsches Fischerboot. An einem Strand auf der griechischen Insel Samos setzten die Schleuser sie ab, wo sie nach zwanzig Minuten einer Polizeipatrouille in die Arme liefen. „Drei Wochen waren wir in einem Aufnahmelager auf Samos“, erzählt der 24-Jährige, „dann hat man uns ein Fährticket nach Piräus gegeben und ein Papier, auf dem stand, dass wir Griechenland binnen 30 Tagen zu verlassen haben.“

Das war vor sechs Monaten. Seither hat sich Asif mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen, mal auf dem Bau, mal als Gärtner, seinem in Pakistan erlernten Beruf. Fünf Euro pro Nacht zahlt er für den Schlafplatz in einer schäbigen Wohnung an der Platia Viktorias, dem Siegesplatz. 15 Migranten hausen in den drei Zimmern. Aber Asif hat immer größere Schwierigkeiten, das Geld aufzutreiben. „Wegen der Krise gibt es fast keine Arbeit mehr für Leute wie uns“, sagt er. Noch einmal 2000 Euro verlangen Schleuser für die Überfahrt nach Italien. Viel zu viel Geld für Asif. „Wir dachten, Europa ist das Paradies – und jetzt sind wir in der Hölle“, sagt er. Deshalb will er weg aus Griechenland, zurück nach Pakistan.

Die Zahl der Migranten, denen es ebenso geht, steigt. Das zeigen die Statistiken der Internationalen Organisation für Migration (IOM): Während im Jahr 2011 in Griechenland 2800 illegale Einwanderer ihre Repatriierung beantragten, sind es in diesem Jahr bereits über 6000, sagt Daniel Esdras, der Leiter des Athener IOM-Büros. Bis Ende Juni sollen etwa 3000 Migranten in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, kündigt Esdras an. Dafür stehen zehn Millionen Euro zur Verfügung. Davon steuert die EU 7,5 Millionen bei, den Rest bringt Griechenland auf. Europa hat großes Interesse daran, das Migrantenproblem dort in den Griff zu bekommen – sei es durch eine bessere Grenzkontrolle zur Türkei, wo auch Beamte der EU-Grenzschutzagentur Frontex im Einsatz sind, sei es durch die Repatriierung von Flüchtlingen. Denn vier von zehn illegalen Einwanderern, die in der EU aufgegriffen werden, kommen über Griechenland nach Europa.

Der Grund für die Heimkehr ist aber nicht nur die Wirtschaftskrise. Die erhoffte Weiterreise von Griechenland in andere EU-Länder ist teuer und riskant. Die meisten werden erwischt, wenn sie in den Häfen von Patras oder Igoumenitsa als blinde Passagiere auf ein Fährschiff zu gelangen versuchen. „In Griechenland sitzt du in der Falle“, sagt Asif.

Trotzdem drängen aber immer noch sehr viele Menschen nach Griechenland: Im vergangenen Jahr wurden an die 100 000 illegale Einwanderer aufgegriffen. Wie viele unerkannt ins Land kamen, weiß niemand. Fachleute schätzen, dass allein in Athen mindestens eine halbe Million illegaler Einwanderer leben. Diese plagt neben der wirtschaftlichen Not jetzt die Angst vor fremdenfeindlichen Übergriffen. Schlägertrupps jagen dunkelhäutige Einwanderer.

Vor einer Woche schlug eine Gruppe von etwa zwölf Tätern einen 32-jährigen Pakistaner in der Athener U-Bahn zusammen und warf ihn an der nächsten Station aus dem Zug auf den Bahnsteig. Zwei Tage später griffen Messerstecher einen Albaner und zwei Polen im Stadtteil Neos Kosmos an. Fast keine Nacht vergeht mehr, ohne dass Migranten niedergestochen oder krankenhausreif geprügelt werden. Die Polizei vermutet die Täter im Umfeld der Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“, die bei der Wahl vom 6. Mai sieben Prozent erhielt. Viele Migranten trauen sich nach Einbruch der Dunkelheit in Athen nicht mehr auf die Straßen.

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