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Athen

© dpa

Griechenland: Verloren in den Flammen

Bei den Waldbränden im südlichen Griechenland verbrennen ganze Dörfer und mit ihnen die Menschen – und jetzt steht das Feuer vor Athen.

„Wo bleibt die Feuerwehr, um Gottes Willen?“ Die Aufregung verschlägt dem Mann am Telefon, der sich im griechischen Rundfunksender „Skai“ nur mit dem Vornahmen Makis vorgestellt hat, fast die Stimme. „Wenn keine Hilfe kommt, verbrennen wir in der nächsten halben Stunde, versteht ihr das endlich?“ Hunderte solcher dramatischen Hilferufe gingen in der Nacht zum Samstag bei den griechischen Rundfunk- und Fernsehstationen ein.

Panik und Verzweiflung im Süden Griechenlands: Seit Freitagmittag stehen große Teile der Halbinsel Peloponnes in Flammen. Mindestens 50 Menschen seien in den Flammen ums Leben gekommen, teilte Nikos Diamantis mit, der Sprecher der griechischen Feuerwehr. Aber noch sind viele der Brände nicht gelöscht und viele Dörfer von den Flammen eingeschlossen. Dutzende Menschen werden vermisst.

In Andritsena, die durch die Flammen von der Außenwelt abgeschnitten war, warteten gestern Nachmittag etwa 2000 Menschen auf Rettung. Andere Ortschaften sind bereits komplett abgebrannt. Wo immer die Flammen gelöscht sind und die Rettungsmannschaften in die eingeäscherten Wälder und die abgebrannten Dörfer vordringen, bieten sich ihnen Bilder des Grauens: Immer wieder stoßen sie auf ausgebrannte Autowracks, in denen sie verkohlte Leichen entdecken.

Opfer verbrannten in ihren Autos

Viele der Opfer wurden auf der Flucht in ihren Autos von den Flammen eingeholt und verbrannten. So in der Nähe der Ortschaft Zacharo, wo es in der Nacht zu einem Zusammenstoß eines Feuerwehrwagens mit einem Pkw kam. Die Unfallstelle, an der sich der Verkehr inmitten der Flammen staute, wurde für neun Flüchtende zur Todesfalle. Ebenfalls in der Nähe von Zacharo fanden die Bergungsmannschaften die verkohlten Leichen einer Mutter und ihrer vier kleinen Kinder. „Sie hielten sich in den Armen“, berichtete erschüttert Panos Sombolos, Polizeireporter des griechischen Fernsehens. Unter den bisher geborgenen Toten sind mindestens sieben Kinder.

Weitere Flammenherde befanden sich bei Sparta, Areohoro, Korinth, Tripolis und Kalamata. Auch in anderen Teilen Griechenlands kam es zu Bränden. Die meisten bisher gefundenen Leichen sind bis zur Unkenntlichkeit verkohlt, ihre Identifizierung kann Tage dauern.

Die Feuerwehren sind von der großen Zahl der Brände völlig überfordert: Seit Freitagmittag brachen auf dem Peloponnes nahezu 100 Feuer aus, 25 allein zwischen 21 Uhr und Mitternacht. Insgesamt wüteten im ganzen Land gestern über 170 Brände. Größtes Problem: Löschflugzeuge konnten wegen der starken Winde, die mit Sturmstärke von sieben bis acht wehten, nur sporadisch eingesetzt werden. Der Sturm fachte die Flammen zu riesigen Feuerstürmen an, die sich rasendschnell durch die Wälder fraßen. Ein solches Inferno hat Griechenland noch nicht erlebt. Ministerpräsident Kostas Karamanlis, der die Nacht von Freitag auf Samstag im Katastrophengebiet verbrachte, sprach von einer „nationalen Tragödie“. Der sozialistische Oppositionsführer Giorgos Papandreou, der ebenfalls die betroffene Region besuchte, sah „Szenen biblischer Zerstörung“. Alle Fußballspiele am ersten Spieltag der ersten Liga wurden wegen der Katastrophe abgesagt.

Feuer am Rand von Athen

Während die Feuerwehren gestern Nachmittag auf dem Peloponnes noch gegen die Flammen kämpften und immer weitere Dörfer evakuiert werden mussten, brach ein weiteres großes Feuer am Berg Hymettus bei Athen aus. Die Flammen griffen auf ein fünfstöckiges Wohnhaus am Rand des Athener Stadtteils Papagou über. Die Bewohner wurden in Sicherheit gebracht, niemand kam zu Schaden.

Griechenland bat die EU-Staaten um „jede erdenkliche Hilfe“. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bot seiner griechischen Kollegin Dora Bakoyannis drei Hubschrauber für den Kampf gegen die Flammen an. Frankreich versprach, zwei Löschflugzeuge zu entsenden. So viele Feuer, die im Abstand von wenigen Minuten ausbrechen: Niemand in Griechenland mag daran glauben, dass dies natürliche Ursachen hat. Der Verdacht auf Brandstiftung steht im Raum. „Ich habe keine Zweifel, dass es sich um Brandstiftung handelt“, sagte Feuerwehr-Sprecher Diamantis. Vielleicht sind Grundstücksspekulanten am Werk, vielleicht Hirten, die mit Feuerrodungen ihren Herden neue Weiden schaffen wollen. Vielleicht sind auch politische Motive im Spiel: In drei Wochen stehen in Griechenland Parlamentswahlen an.

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