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Panorama: Griff nach den Sternen

Die Nasa will wieder zum Mond, dann zum Mars und zu anderen Zielen des Sonnensystems – sagt ihr neuer Chef Griffin

Von Rainer Kayser, dpa

Michael Griffin macht Dampf. „Wenn wir in den nächsten 30 Jahren nur das Gleiche machen wollen wie in den vergangenen 30 Jahren – dann möchte ich diesen Job nicht!" erklärte der 55-jährige Physiker und Raumfahrtingenieur bei seinem Amtsantritt als neuer Chef der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa. Statt weiter mit der alternden Shuttle-Flotte nur in den erdnahen Orbit zu fliegen, will Griffin die Vision von Präsident George W. Bush umsetzen: Bis zum Jahr 2020 soll es eine bemannte Station auf dem Mond geben, dann soll es zum Mars gehen und zu weiteren Eroberungen des Sonnensystems.

„Wenn wir Geld für die Raumfahrt ausgeben, dann wünscht sich die Mehrheit der Amerikaner ohne Zweifel ein aufregendes Programm mit einem klaren Ziel", hat Griffin erkannt. Doch seit den Mondlandungen vor über 30 Jahren gab es für die Nasa kein solches Ziel mehr. „Wir haben seither schändlich wenig Fortschritt bei der Erforschung des Weltalls über den erdnahen Orbit hinaus gemacht. Es ist Zeit zu erkennen, dass wir einen einst unerreichbaren Vorsprung in der Kunst und Wissenschaft des Raumflugs leichtfertig verspielt haben.“ Als peinlich für die USA empfindet es Griffin, dass die Amerikaner derzeit auf russische Sojus-Raumschiffe angewiesen sind, um Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS zu schicken: Seit dem tragischen Absturz der Raumfähre Columbia am 1. Februar 2003 ist kein Spaceshuttle mehr gestartet. Die Amerikaner waren seither nicht einmal mehr in der Lage, einen Astronauten ins All zu schicken. Nach zahlreichen Umbauten soll nun zwischen dem 15. Mai und dem 3. Juni erstmals wieder eine US-Raumfähre zur ISS aufbrechen.

Griffin macht deutlich, wie wichtig er diesen Start nimmt: Der Start soll auch dann erfolgen, wenn nicht alle 15 Sicherheitsauflagen der Expertenkommission erfüllt sind, die das Columbia-Unglück untersucht hat. „Solche Kommissionen machen Vorschläge, die sich gut anhören, aber nicht immer umsetzbar sind“, erklärte er und ergänzt: „Berater sollen beraten, die Entscheidungen müssen wir treffen. Und wir können niemals jedes Risiko ausschließen."

Auch für die Zukunft will Griffin eine Wiederholung der peinlichen Abhängigkeit „von zuverlässigen oder weniger zuverlässigen Partnern“ vermeiden. Die bisherigen Pläne der Nasa sehen vor, die Spaceshuttles 2010 außer Betrieb zu nehmen. Doch erst 2014 soll mit dem „Crew Exploration Vehicle" CEV ein Ersatz bereitstehen. „Völlig unakzeptabel“, findet Griffin diese mehrjährige Lücke und sagt: „Der Präsident hat erklärt, das CEV soll spätestens 2014 einsatzfähig sein. Niemand verbietet uns, intelligent zu sein und es früher zu schaffen.“

Der neue Nasa-Chef beruft sich auf die glorreichen Zeiten der Nasa in den 60er und 70er Jahren und versucht so, der Raumfahrtbehörde neues Selbstvertrauen einzuflößen: Die Entwicklung der Gemini-Rakete hat nur drei Jahre gedauert, die Mondrakete Apollo wurde in sechs Jahren gebaut. „Wir konnten es damals, und wir können es heute wieder.“

Und dann stünde die Nasa vor der aufregendsten Zeit seit Jahrzehnten: Denn das Crew Exploration Vehicle soll Astronauten nicht nur zur ISS, sondern auch zum Mond befördern. Im Gegensatz zum Apollo-Projekt, bei dem es letztlich um die Demonstration technologischer Überlegenheit gegenüber der Sowjetunion ging, hat die Nasa diesmal langfristige Ziele. In einer dauerhaft bemannten Station auf dem Mond wollen Amerikaner die Technologie zur Eroberung des Sonnensystems testen: Nicht nur der Mars, sondern auch andere Ziele wie etwa die rohstoffreichen Asteroiden sollen für amerikanische Raumfahrer zum Ziel werden. „Wenn Amerika im 21. Jahrhundert und darüber hinaus eine der herausragenden Nationen bleiben soll, dann müssen wir auch die herausragende raumfahrende Nation sein."

Mit seinem Enthusiasmus gelingt es Griffin sicherlich, für Aufbruchstimmung und neues Selbstvertrauen in der Nasa zu sorgen. Doch sein Erfolg hängt auch von anderen Faktoren ab: Noch ist beispielsweise unklar, ob der Raumfahrtbehörte ein um 2,5 Prozent erhöhtes Budget von 16,5 Milliarden Dollar für 2006 genehmigt wird. Und selbst wenn – um die neuen Visionen umzusetzen, sind Einschnitte an anderer Stelle nötig. Proteste sind vorauszusehen.

Zudem bleibt Raumfahrt ein riskantes Geschäft. Griffin betont, es lasse sich nicht jedes Risiko ausschließen. Und er will sich nicht durch zu weit gehende Sicherheitsauflagen aufhalten lassen. Doch die Reaktion der US-Öffentlichkeit auf eine neue Katastrophe mit toten Astronauten ist schwer kalkulierbar. Bleibt abzuwarten, ob Griffin den Amerikanern in einem solchen Fall zu vermitteln vermag, dass die Eroberung des Alls nicht ohne Opfer möglich ist.

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