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Grippe: Niemand weiß, ob Impfstoffe diesmal schützen

Der bisherige Verlauf der Epidemie in Mexiko lässt die Experten der WHO vermuten, dass dieses Virus möglicherweise eine Pandemie auslösen könnte. Experten setzen aber auf eine bessere Vorbereitung als bei der Epidemie von 1918.

Der erste Weltkrieg war noch nicht zu Ende, als im März 1918 in einem Militärcamp im amerikanischen Kansas die Soldaten sich in langen Schlangen vor der Sanitätsstation aufreihten. Die „fiebrige Erkältung“ verbreitete sich rasant. Auf Truppentransportern schleppten Infizierte das Leiden nach Europa und in alle Winkel der Welt. Die erste Welle verlief glimpflich und flaute im August ab. Bereits im Herbst 1918 tauchte die Epidemie im französischen Brest, im amerikanischen Boston und im westafrikanischen Freetown erneut auf, noch viel tödlicher als vorher.

Vor allem junge kräftige Erwachsene starben reihenweise, ganz im Gegensatz zur normalen Grippe, der in erster Linie ältere und geschwächte Menschen zum Opfer fielen. Auch bei der aktuellen Schweinegrippe sind die Todesopfer überwiegend jung.

In vielen Regionen brach die Versorgung zusammen, in einigen Ländern war Husten und Niesen in der Öffentlichkeit unter Strafe verboten. Mit 20 bis 50 Millionen Toten – die Schätzungen gehen auseinander – forderte die „spanische Grippe“ wohl mehr Opfer als der gesamte erste Weltkrieg oder die Pest im Mittelalter, allein Deutschland verzeichnete 225 000 Grippetote.

Erst 1997 identifizierte Jeffery Taubenberger am Walter Reed Army Medical Center in Washington ein Influenza- Virus als Erreger, der am Anfang des 20. Jahrhunderts vom Geflügel auf Schweine übergesprungen und irgendwie zum Menschen gewechselt war und so die Pandemie von 1918 ausgelöst hatte.

Als John Skehel vom MRC-Institut in London und US-Kollegen im Jahr 2004 aus Grippeopfern, die im Dauerfrostboden Alaskas beerdigt worden waren, die Erbsubstanz des Virus H1N1 isolierten, das 1918 die spanische Grippe verursachte, konnten sie die Strukturen genauer anschauen. Das Erbmaterial lieferte den Forschern die Vorlage, nach der sie Teile der Bausteine des 1918 grassierenden H1N1-Virus herstellten und im Röntgenmikroskop untersuchten. Im Vergleich zum Erreger in den Vögeln gab es nur sehr wenige, kleine Veränderungen, die Bausteine so umformen, dass sie exakt zum Menschen passen. Ähnliche Anpassungen gab es auch 1957 und 1968, als die beiden Virustypen H2N2 und H3N2 zwei weitere schwere Grippeepidemien mit vielen Todesopfern auslösten, die aber glimpflicher verliefen als die spanische Grippe 1918.

Bisher weiß niemand, wie gut die herkömmlichen Grippeimpfstoffe für Menschen vor dem aktuellen Subtyp schützen. Der bisherige Verlauf der Epidemie in Mexiko lässt die Experten der WHO aber vermuten, dass dieses Virus von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann und daher möglicherweise eine Pandemie auslösen könnte.

Sollte das tatsächlich passieren, dürften die Auswirkungen aber bei weitem nicht so verheerend wie 1918 sein. Zum einen ist das heutige Gesundheitssystem erheblich besser als am Ende des ersten Weltkrieges. Und es gibt heute Medikamente, die vermutlich auch gegen den neuen Influenza-Subtyp wirken könnten.

Die US-Gesundheitsbehörde CDC wies am Wochenende darauf hin, dass Tests ergeben hätten, dass Tamiflu und Relenza wirken könnten, wenn sie frühzeitig eingenommen würden.

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