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Großbritannien: Ein Millionär als Millionenräuber?

War es Abenteuerlust oder Geltungsdrang? Was könnte einen Millionär dazu treiben, einen riskanten Millionenraub zu begehen? Eine Woche nach dem Überfall auf ein Geldlager in Kent haben die Behörden Anklage erhoben.

London - Acht Tage nach dem größten Geldraub in der Geschichte Großbritanniens stand der 60-jährige Lebemann John Fowler aus der südostenglischen Stadt Maidstone, dieser umtriebige Unternehmer mit dem Spitznamen «Der Flexible», wegen Verschwörung zum Raub, Entführung und Besitzes von Diebesgut vor dem Haftrichter.

Mitangeklagt sind sein Geschäftspartner Stuart Royle (47) und dessen Freundin Kim Shackleton (38). Weitere Anklagen werden vorbereitet. Doch für die Leute in Maidstone, der Regionalhauptstadt der Grafschaft Kent, scheint bereits fest zu stehen, dass nur einer der «big fish» ist, der «flexible» Fowler eben. «Der wollte immer ganz hoch hinaus, immer die ganz große Nummer sein», sagt eine Frau vor der neuen Wohnanlage «Waterside Gate», wo Fowler fünf Luxuswohnungen gehören.

Sie sind längst nicht alles, was der Mann sein Eigen nennt. Dem Autohändler gehören im Zentrum von Maidstone auch etliche Wohn- und Gewerbe-Immobilien, gekauft für vergleichsweise wenig Geld in den Krisen geschüttelten Siebzigern. Autos deutscher und britischer Nobelmarken zählen ebenso zu seinen Besitztümern wie Ferienwohnungen. Zeitweilig hatte er einen Nachtclub. Sein Farmhaus unweit von London, auf dem die Polizei einen Großteil der Beute entdeckt haben soll, wird auf umgerechnet drei Millionen Euro Wert geschätzt.

Auch für seine Frau hatten die Leute einen Spitznamen: «Bling-Bling Linda» - weil sie meist mit Unmengen Schmuck behangen war. Die 48-Jährige gilt der Polizei als Komplizin, ist aber vorläufig gegen Kaution auf freiem Fuß. Geld schien für Fowler nur einmal wirklich ein Problem zu sein. 1992 ging sein Saab-Autohandel pleite. 20 Angestellte verloren ihre Jobs. Doch schon ein Jahr danach war er auf wundersame Weise wieder im Geschäft mit Luxuskarossen aktiv. Als Töchterchen Amy (21) kürzlich ihren Renault Clio zu Schrott fuhr, war Väterchen flexibel und großzügig. Als Ersatz gab es einen Dreier-BMW, berichtete die Zeitung «Sun».

Doch mehr noch als durch seinen zur Schau gestellten Reichtum machte der «Flexible» durch Ausschweifungen von sich reden. «Der Fowler war als "Party Animal" bekannt», sagt Sally, die in einem beliebten Pub von Maidstone ausschenkt. Die Kneipe in der Boxley Road heißt «Dog & Gun» und ist nur zwei Minuten vom Stadtgefängnis entfernt, in dem Fowler jetzt in U-Haft sitzt. Ihr Wissen hat die Wirtin aus der Zeitung «Mirror», die ein ganzseitiges Foto von Fowler in Unterhosen und den Armen einer Stripperin veröffentlichte.

Natürlich macht ihn das nicht zum Millionenräuber. Ob die Beweise für eine Verurteiltung reichen, bleibt abzuwarten. Viele Fragen sind noch unbeantwortet. Die nach dem Motiv im Falle des Millionärs allemal. Und auch, ob dieser Lebemann wirklich das «Superhirn» hinter Großbritanniens größtem Raub war.

«Die Fahndung geht weiter», sagt Chef-Ermittler Adrian Leppard, der Mann mit dem Kojak-Schädel, der in Großbritannien mindestens ebenso bekannt ist wie nun der «Flexible Fowler». Bis das ganze Puzzle zusammengesetzt, bis alle Täter hinter Gitter seien und bis schließlich auch der letzte gestohlene Geldsack aufgetrieben sei, so Leppard, «könnten noch viele Monate vergehen, vielleicht gar Jahre». (Von Thomas Burmeister, dpa)

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