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Panorama: Großfahndung nach Polizistenmord

Niemand hat Schüsse gehört oder etwas gesehen

Andreas Mayer ist blass. Der Schrecken ist ihm ins Gesicht geschrieben. Der Polizist und Leiter des Heilbronner Reviers hat ja schon einiges erlebt. Aber so etwas? „Ich kann mich an keinen Polizistenmord in Heilbronn erinnern“, sagt Mayers Kollege Volker Rittenauer, Chef der Kripo. Die beiden geben hektisch über Handy Kommandos: Zwei erfahrene Polizisten, die jetzt den Mörder einer Polizistin suchen müssen.

Die Leiche der 24-jährigen Kollegin liegt vor dem 5er-BMW-Streifenwagen neben dem Verteilerhaus auf der Theresienwiese. Gerade ist der Rettungshubschrauber mit dem schwerst verletzten 22-jährigen Polizisten abgeflogen. Er schwebt in Lebensgefahr. Polizeispräsident Konrad Jelden sagt am Abend tief betroffen: „Das war kaltblütiger Mord.“

„Wir haben keine Ahnung, was passiert ist“, sagt Polizeisprecher Rainer Köller. Klar ist nur, dass ein Radfahrer die blutüberströmten Polizisten gegen 14 Uhr „bei ihren Streifenwagen liegend“ fand und sofort die Polizei verständigte. Von den Dienstwaffen samt Patronenmagazin und den Handschellen fehlt jede Spur, genauso von den Tätern oder dem Täter. Klar ist, dass die Bereitschaftspolzisten im Rahmen der Aktion „Sichere City“ auf der Theresienwiese Personen kontrollieren wollten, „die ihnen verdächtig erschienen“ (Köller). Doch was dann geschehen ist, „darüber können wir nur spekulieren“. Später gibt die Polizei bekannt: Die Beamten trugen Schutzwesten, was bei diesen Streifenfahrten üblich ist. Die Schüsse trafen sie in den Kopf.

Da die Polizei davon ausgeht, dass die Täter bewaffnet und gefährlich sind, wird über Radio und Fernsehen gewarnt. Die Stadt wird hermetisch abgeriegelt. Der Verkehr bricht total zusammen. Auch auf der Autobahn gibt es Kontrollen. Aus Ludwigsburg kommt Verstärkung. Mehrere hundert Polizisten sind im Einsatz. „Alles, was verfügbar ist“, sagt Köller. Auch das Druckhaus der „Heilbronner Stimme“ wird durchsucht. Gegen 18 Uhr informiert die Polizei den Geschäfsführer der Tageszeitung, dass beim Druckzentrums ein Verdächtiger aus einem Taxi ausgestiegen sein soll. Gefunden wird er nicht.

Die ersten Befragungen von Zeugen ergeben keine Hinweise. „Wir haben nichts gehört“, sagt ein Metzgerazubi, der die Kreisberufsschule gegenüber der Theresienwiese besucht. Noch um 13 Uhr habe er mit seinen Klassenkameraden in der Nähe des Tatortes Mittagspause gemacht. „Uns ist nichts aufgefallen, geschweige denn hätten wir Schüsse gehört.“ Allerdings würden sich am Verteilerhaus öfter jüngere Leute aufhalten. Ein Ehepaar auf dem Fahrrad, das bei ihren Ausfahrten an der Theresienwiese vorbeikommt, bestätigt das. „Hier hängen öfter Trinker und Drogenabhängige herum. Man hat sogar schon Spritzen gefunden.“ Auch die Aufbauhelfer, die Stände für das Maifest auf der Theresienwiese montieren, zucken mit den Schultern. „Wir haben erst von den Toten erfahren, als uns die Polizei als befragt hat.“ Und die Schüsse? „Haben wir nicht gehört“, sagt einer, „bei unserer Arbeit geht es laut zu.“

„Wir haben nichts“, fasst Köller die Lage zusammen. Für seinen Sprecherkollegen Torsten Weidemann steht nur eines fest: „Wir suchen einen Polizistenmörder.“ Ob die jungen Bereitschaftspolizisten, die in Böblingen stationiert waren, bei der Kontrolle angegriffen und mit ihren eigenen Dienstwaffen erschossen wurden? Der Funkverkehr mit dem Streifenwagen gibt darüber keine Auskunft. Die Spurensicherung hat eine Drehleiter der Feuerwehr kommen lassen und gelangt so auf das Dach des Verteilerhauses. Die Tatwaffe findet sich dort ebenso wenig wie am Neckarufer, das die Fahnder durchkämmen.

Andreas Gugau[Heilbronn]

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