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Panorama: Grüß Gott, Herr Papst

Benedikt XVI. zu Besuch in seiner bayerischen Heimat – ein Fest nicht nur fürs Kirchenvolk

Am Marienplatz konnte man den bevorstehenden hohen Besuch gestern riechen. Gelbe und weiße Lilien, Nelken und Chrysanthemen strecken sich zur goldenen Madonna an der Mariensäule empor und formen auf der Bühne die Wappen der Stadt München und des Vatikans. Sie ziehen nicht nur Hummeln an, sondern auch Touristen, die schnuppernd auf Deutsch und Englisch fragen: „Was ist hier los?“ An diesem Samstag um 15 Uhr 30 wird der Papst auf dem Münchner Flughafen landen und wenig später hier beten.

Es gibt tatsächlich viele, die einen Tag vorher in der Mitte Münchens stehen und nicht mitbekommen haben, was der bayerische Ministerpräsident das „Jahrhundertereignis, wenn nicht gar das Jahrtausendereignis“ nannte. Ein Paar aus London zum Beispiel, ein Geschäftsmann aus der Schweiz.

Wer nicht weiß, dass weiß-gelb die Kirchenfarben sind, könnte denken, dass die Bühnen, die Leinwände und Kameras, die den Platz zustellen, dass man den Kopf recken muss, um die Säule und das Rathaus zu sehen, für ein Popkonzert aufgebaut werden. Von den 50 000 Papst-Plakaten, die für die Bayern-Reise gedruckt wurden, ist hier keines zu sehen. „Die Münchner wissen, worum es geht“, sagt Prälat Josef Obermaier. Er ist der oberste Seelsorger im Münchner Erzbistum und gehört zur „Hauptkommission“, die in viele Unterkommissionen unterteilt ist und in vielen hundert Sitzungen mit sehr vielen Menschen seit einem Dreivierteljahr das Großereignis vorbereitet.

Obermaier kennt Benedikt XVI. schon lange. Als Joseph Ratzinger Erzbischof von München war, war Obermaier Jugendpfarrer. Sie saßen jede Woche mindestens einmal zusammen. „Schaun’s her“, sagt Obermaier und nippt am Pils, „wir gehen nicht auf ein „Iwänt“ hin, da kommt kein großer Star. Wir feiern Gottesdienst mit dem Papst, der die Kirche zusammenhält. Wir wollten den Personenkult nicht fördern.“

Das ist gelungen. In den Geschenkeläden rund um den Marienplatz und der Frauenkirche muss man den prominenten Kirchensohn des Landes suchen. In den Schaufenstern stehen Bierkrüge, liegen T-Shirts und hängen Fahnen mit dem Aufdruck des Oktoberfestes, das zwei Tage nach Benedikts Besuch „ozapft“ wird. Die Buchhandlung um die Ecke hat nicht ein Benedikt-Buch in der Auslage. Dafür hat der Dessous-Laden gegenüber der Frauenkirche inmitten seiner Reizwäsche ein Schild ins Schaufenster gehängt mit der Aufschrift: „Kann denn schöne Wäsche Sünde sein?“

Einen Devotionalien-Boom gibt es dagegen in den anderen Orten der PapstReise. Bäcker verkaufen „BenediktSchnitten“, die Auslagen der Geschäfte quellen über mit Papst-Büchern und Kerzen, die Bildnisse Benedikts XVI. zeigen.

„Wer glaubt, ist nicht allein“ ist das Motto der Bayern-Reise des Papstes. Ziemlich alleine steht allerdings der Münchener Papst-Devotionalienhändler da, der seinen Stand in der Fußgängerzone zwischen Marienplatz und Stachus aufgebaut hat. Die „offiziellen“ Kerzen, Tassen und Anhänger mit dem Konterfei des Heiligen Vaters lassen die nachmittäglichen Passanten links liegen. Viel mehr als sonst sind es nicht. Heute, am Tag vor dem Papst-Besuch, ist noch normaler Alltag. Morgen und übermorgen aber werden bis zu einer Million Besucher erwartet, 3000 Busse, jede Menge Sonderzüge. Am Tag vorher ist davon nicht viel zu spüren.

Es ist kein Problem, noch ein Hotelzimmer zu bekommen. Am fühlbarsten ist das Ereignis auf dem Messegelände, da wird für den Gottesdienst gehämmert, gebohrt und geschleppt, zusammengeschraubt und geprobt.

Auch in der Frauenkirche, wo der Papst am späten Sonntagnachmittag eine Vesper feiert, kreischen noch die Bohrer. Prälat Obermaier bestellt im Café am Marienplatz noch ein Pils. Während seine Kollegen im Bistum die letzten Details für den Ablauf der nächsten Tage wieder und wieder durchgehen und trotz der kühlen Temperaturen schwitzen und immer nervöser werden, ist er gelassen. Seine Arbeit ist getan. Er war für die „geistliche Vorbereitung“ zuständig. Mit Wallfahrten, Gottesdiensten und „Pilgerheften“ hat er versucht, den bayerischen Katholiken zu vermitteln, dass sie „nicht nur morgen zum Papamobil sollen und wieder weg“. Sondern dass im Mittelpunkt Jesus Christus steht und das Kreuz. Die 50 000 Papst-Plakate hängen in Pfarreien.

Dass „die Kirche lebt“, wie Benedikt schon bei seiner Antrittsrede vergangenes Jahres betonte und seitdem immer wieder, ist aber selbst in Bayern nicht mehr selbstverständlich. Nur 60 Prozent der Münchner sind Katholiken. Bei den Geburtsanzeigen im Rathaus stehen Namen wie „Yosra Ayed“ selbstverständlich neben dem Buben Lorenz Landgrebe. Auch weil es viele „Andersgläubige“ in der Stadt gibt, wollte man den Besuch nicht allzu hoch hängen, sagt Obermaier.

Dass es dem Papst gelingen wird, „die Freude am Christentum neu zu erwecken“, wie er in der aktuellen Kirchenzeitung geschrieben hat, daran zweifelt der Prälat freilich nicht. Ein Wunder habe sich ja schon im Vorfeld ereignet. Bei der Restaurierung einer Kirche in Enghausen wurde ein verschmutztes, von Würmern durchlöchertes Kruzifix gefunden, das Wissenschaftler für das älteste geschnitzte Holzkreuz auf der Welt halten. Am Sonntag wird der Papst unter ihm beten.

Betrüblich findet Obermaier allerdings, dass er nicht schon morgen dem Papst die Hand schütteln kann, sondern erst am Sonntag nach der Messe. Er habe Innendienst und sitze in der Bistumsverwaltung am Notfall-Telefon. „Das wird bestimmt der langweiligste Dienst meines Lebens“, sagt er. Dass etwas passieren könnte, hält er für ausgeschlossen – bei 5000 Polizisten, Hubschraubern und einem Sicherheitsapparat, als käme der amerikanische Präsident.

Der Papst heute im Fernsehen:

Erstes Programm 14 Uhr 30 bis 17 Uhr 30, ZDF 14 Uhr 25 bis 18 Uhr 30, Bayerischer Rundfunk 13 bis 21 Uhr.

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