zum Hauptinhalt

Panorama: Habemus Papam

Um 15 Uhr 22 landete Benedikt XVI. am Samstag auf dem Flughafen von München – umjubelt von den Bayern

Plötzlich ein Aufschrei und Jubel aus Tausenden von Kehlen. 5000 Augenpaare starren am Marienplatz auf die Leinwände: Endlich können alle die mitgebrachten weiß-gelben Fähnchen wedeln, endlich geschieht, worauf viele hier schon seit dem Vormittag gewartet haben: Der Papst ist auf dem Flughafen in München gelandet. Die Tür der All Italia-Maschine öffnet sich. Ein weißer Zipfel erscheint, dann schnell, schnell, steigt der ganze Papst Benedikt XVI. die Gangway hinunter. In der Innenstadt läuten die Glocken der Frauenkirche, als der Papst den Bundespräsidenten begrüßt, dann dessen Frau und die Kanzlerin, den bayerischen Ministerpräsidenten und schließlich den Münchner Kardinal Friedrich Wetter, der den großen Sohn des Erzbistums und der Stadt eingeladen hat. Die erste Geste, auch sie wird am Marienplatz mit Jubel begrüßt, der Papst lächelt, deutet mit der Hand nach oben zum strahlend blauen Himmel, nickt, als wolle er sich bei seinem Vorgänger Petrus bedanken für das schöne Wetter.

„Wir freuen uns sehr, dass sie wieder bei uns sind“, sagt der Bundespräsident in seiner Ansprache. Der Takt der Fähnchenschwinger auf dem Platz um die Säule mit der goldenen Madonna verdreifacht sich, wieder bricht Jubel aus.

Nun wird konkret, was sich viele Tausend Menschen vor allem in Bayern seit Monaten ausmalen und was Tausende dazu brachte, schon gestern früh zum Marienplatz zu pilgern. Einmal ganz nah dran sein, einen Zipfel des Menschen Joseph Ratzinger erspähen, den viele zwar schon oft erlebt haben, schließlich war er fünf Jahre lang Erzbischof von München, der aber jetzt als Papst Benedikt XVI., als Stellvertreter Gottes, so seltsam ins Übermenschliche entrückt ist. „Den Papst so ganz nah, das erleben wir sonst nicht mehr“, sagt eine 63-jährige Frau aus dem Badischen. Sie ist mit ihrer Schwester gekommen, schon im Mai haben sie die Reise geplant. Seit 13 Uhr sitzen sie auf dem Platz, bepackt mit Decke und Jacken – und haben es immerhin in die fünfte Reihe geschafft. Die, die dem Papst theoretisch die Hand reichen könnten, wenn er gleich hier andächtig knien wird, waren schon um 8 Uhr hier, noch vor der Polizei. Die hat den Platz danach bis auf einen kleinen Weg außen rum mit Gittern abgesperrt. Wer ins Innere will, muss sich in die Tasche schauen lassen und wird abgetastet. Scheren, Taschenmesser werden konfisziert.

Auch Lukas Weigl aus Karlsruhe steht schon lange hier. Er ist 15 Jahre alt und kann gar nicht genug kriegen vom Papst. Vor einem Monat war er zusammen mit 42 000 anderen Ministranten aus ganz Europa in Rom zur „Mini-Wallfahrt“. Jetzt mit 5000 Menschen auf dem Marienplatz zu sein, ist im Vergleich dazu fast so, als sei er alleine mit dem Papst. Außerdem hat Lukas heute Geburtstag. „Wenn man schon mal das Glück hat, dass der Papst zum Geburtstag kommt, dann muss man hin“, sagt er.

Die Säule mit der vergoldeten Madonna ist die geografische Mitte Bayerns. Von hier aus wurden die Entfernungen gemessen. Es ist auch der geistliche Mittelpunkt der Bayern. Der Marienkult ist für die Katholiken wichtig, besonders für die bayerischen. Kurfürst Maximilian hat München ganz der Madonna geweiht und sie zur „Herzogin von Bayern“ ernannt. „Selige Maria, was ist geschehn, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt“, singen auch jetzt hier Gruppen von Menschen. Sie tragen grüne Kappen auf dem Kopf mit gelber Aufschrift. Trommeln und Schellen begleiten sie. Manche wiegen sich im Takt. Es sind Anhänger einer besonders frommen katholischen Richtung, die es ernster als andere mit dem Evangelium und der Mission nehmen. 700 von ihnen sind alleine aus München zum Marienplatz gekommen. Auf der grünen Kappe steht „Ad gentes“. Zu den Völkern, zu den Menschen, heißt das, erklärt Barbara Josef. „Wir sollen zu den Menschen hinausgehen, zu denen, die nicht mehr glauben.“ Sie ist mit ihrem Mann und ihren sechs Kindern gekommen. Neben ihr stehen Zehntklässler aus Essen. „Tschüss Mama, bin beim Papst“, steht auf ihren schwarzen T-Shirts. „Der Papst spricht die Jugendlichen an“, sagt einer von ihnen. Im Übrigen müsse man ja nicht alles so machen, wie es der Papst will. Es gebe ja auch noch ein persönliches Gewissen.

„Willkommen daheim“, hatten die Münchner Zeitungen getitelt. Für die Jugendlichen auf dem Marienplatz ist der Papst aber längst nicht mehr der Bayer, sondern „Benedetto“. Das lässt sich auch viel besser singen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false