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Haiti: Hunderte Tote nach Erdbeben befürchtet

Herumwirbelnde Autos und Leichen auf den Straßen – ein schweres Erdbeben hat Haiti getroffen. In der Hauptstadt herrscht Chaos. Erste Rettungsmannschaften sind unterwegs.

Nach einem schweren Erdbeben der Stärke 7,0 werden in Haiti hunderte Tote befürchtet. Das Epizentrum lag nur 16 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. "Unsere Diplomaten vor Ort haben viele Leichen auf den Straßen und Gehwegen gesehen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington. Der Präsidentenpalast, das Hauptquartier der UN-Mission und zahlreiche weitere Gebäude in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince wurden bei dem Beben zerstört. Ein Kinderkrankenhaus, zwei Ministerien und ein Geschäftsgebäude, in dem unter anderem die Vertretung der Europäischen Union ihre Büros hat, seien ebenfalls schwer beschädigt worden. "Die ganze Stadt liegt im Dunklen", sagte Rachmani Domersant, ein Mitarbeiter der US-Hilfsorganisation Food for the Poor. "Tausende Menschen sitzen auf der Straße und wissen nicht wohin."

"Die Toten werden nach Hunderten gezählt werden müssen", sagte ein Arzt, der bei dem Erdstoß selbst verletzt wurde, der Nachrichtenagentur AFP. Wie ein AFP-Korrespondent aus einem Vorort der Hauptstadt berichtete, dauerte das Beben länger als eine Minute. Autos seien regelrecht in die Luft gesprungen. Viele Einwohner seien in Panik auf die Straßen gerannt. Wie eine Überlebende berichtete, lag über der haitianischen Hauptstadt nach den Erdstößen eine riesige Staubwolke. "Es ist schrecklich", schrieb sie in einer E-Mail. Vor allem in den Slums seien viele Hütten und Behausungen eingestürzt. Telefongespräche waren nicht möglich, weil die Netze zusammengebrochen waren.

"Es scheint klar, dass es zahlreiche Tote gibt", sagte US-Außenamtssprecher Philip Crowley in Washington. Die Sprecherin einer katholischen Hilfsorganisation berichtete nach einem Telefonat mit einem Mitarbeiter in Port-au-Prince, dieser befürchte "tausende Tote". In der Hauptstadt Haitis sei Chaos ausgebrochen. Laut einem Bericht eines im Internet übertragenen haitianischen Fernsehsenders stürzten der Präsidentenpalast und viele andere Gebäude ein. Unter anderem seien mehrere Ministerien, das Parlament und Schulen beschädigt.

Auch das Hauptquartier der 9000 Mann starken UN-Friedensmission in Haiti wurde zerstört. Zahlreiche Mitarbeiter würden derzeit vor Ort vermisst, sagte ein UN-Sprecher in New York. Genauere Angaben lägen noch nicht vor, weil die Kommunikation mit Port-au-Prince sehr schwierig sei. Aus anderen Landesteilen gab es sogar gar keine Informationen, alle Kommunikationswege waren abgeschnitten. Sofort nach dem Beben noch per Internet verbreitete Bilder zeigten eingestürzte Häuser und zerquetschte Autos in einer nicht benannten Stadt. Haitis Botschafter in Washington, Raymond Alcide Joseph, sagte dem Fernsehsender CNN: "Ich befürchte, es ist eine große Katastrophe."

US-Präsident Barack Obama sagte in Washington, die USA ständen bereit, um Hilfe zu leisten. Die Regierung verfolge die Situation genau und stehe bereit, "dem Volk von Haiti zu helfen". Noch am Abend schickten die USA erste Rettungsmannschaften mit Spürhunden los. Auch sollten umgehend 48 Tonnen Hilfsmaterial in den Karibikstaat gebracht werden. Auch Kanada, Frankreich und mehrere Länder Lateinamerikas boten ihre Hilfe an. Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) gab ihrerseits 200.000 Dollar (140.000 Euro) Soforthilfe für Wasser, Lebensmittel und Medikamente frei.

Nach dem Hauptbeben wurde Haiti laut US-Erdbebenzentrum von drei weiteren Erdstößen der Stärke 5,9, 5,5 und 5,1 erschüttert. Auch in der benachbarten Dominikanischen Republik bebte die Erde, es gab nach Behördenangaben aber keine Schäden. Ausläufer waren nach Angaben der US-Armee selbst im 300 Kilometer entfernten Lager Guantánamo auf Kuba zu spüren.

Das US-Tsunami-Zentrum löste zunächst Alarm für fast alle Karibikstaaten aus, besonders für Haiti, Kuba, die Bahamas und die Dominikanischen Republik. Diese Warnungen wurden später wieder zurückgenommen.

Haiti, ohnehin das ärmste Land Lateinamerikas, hatte in der Vergangenheit mehrfach mit schweren Naturkatastrophen zu kämpfen. Erst 2008 waren beim Durchzug von vier heftigen Stürmen fast 800 Menschen gestorben.

Das Erdbeben war nach Angaben des Geologischen Instituts der USA das schwerste seit 200 Jahren. Es habe zwei schwere Beben im Jahr 1751 und 1770 gegeben, sagte der Geophysiker Dale Grant zu Reuters. "Aber seit damals hat es kein Erdbeben dieses Ausmaßes gegeben."

Quelle: ZEIT ONLINE, AFP 

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