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Hartes Vorgehen: Ägyptens Kampf gegen die Schweinegrippe

300.000 Schweine sollen in Ägypten getötet werden, obwohl sich das Schweinegrippenvirus von Mensch zu Mensch überträgt. Doch der Widerspruch stört die Machthaber nicht, sie haben anderes im Sinn.

Wer dieser Tage auf dem Internationalen Flughafen von Kairo landet, sieht sich schon nach wenigen Schritten auf ägyptischem Boden einer dicht gestaffelten Phalanx von Weißkitteln mit Mundschutz gegenüber. Jeder muss auf einem Zettel Name, Adresse und Mail hinterlassen und dann vor einer der drei neu angeschafften Infrarotkameras Aufstellung nehmen. Ist der Kopf kühl und hat man kein Fieber - dann darf man weiter.

Kühlen Kopf - den lässt dieser Tage vor allem die ägyptische Regierung vermissen. Seit Mexiko vor vier Wochen die ersten Fälle von Schweinegrippe meldete, holte man am Nil zum ganz großen Schlag aus. 300.000 Schweine sollen getötet werden, praktisch der gesamte Tierbestand des Landes. Zehn Prozent sind bereits gekeult. In sechs Monaten will man am Nil mit dem blutigen Geschäft durch sein - auch wenn die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen geradezu flehentlich erklärt, diese ganze Megaaktion sei völlig sinnlos, weil sich der Virus von Mensch zu Mensch und nicht von Schwein Mensczuhen übertrage.

Doch die ägyptischen Machthaber stört das nicht - sie haben anderes im Sinn. Kairo will die weltweite Angst vor der Schweinegrippe nutzen, um die chaotische Aufzucht dieser Tiere durch die christlichen Müllsammler in den Slums von Kairo und Alexandria ein für allemal zu beenden. "Die Menschen leben mit Hunden, Ratten, Katzen, Hühnern und Schweinen zusammen, alle unter einem Dach und alle inmitten von Müll und Abfall", erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Bereits vor drei Jahren hatte das Parlament ein härteres Vorgehen gegen diese Missstände verlangt, doch die Behörden wagten aus Angst vor religiösen Spannungen nicht, das Problem anzupacken. Denn der jetzt ausgerufene Feldzug gegen die Schweine trifft allein die christlich-koptischen Müllsammler, die die Tiere mit Essensresten füttern und sich inzwischen mehrere Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Die Ärmsten der Armen kämpfen um ihre Existenzgrundlage. Und niemand weiß, was in der Mega-Metropole Kairo künftig mit dem organischen Abfall geschehen soll.

Ägyptens Muslime dagegen, die 90 Prozent der Bevölkerung stellen, haben nichts dagegen, die grunzenden Vierbeiner endlich loszuwerden. Nach islamischem Glauben gelten sie als unrein und dürfen nicht gegessen werden. Allerdings legte Gesundheitsminister Hatem al-Gabali dieser Tage seinen Glaubensbrüdern nahe, vorsorglich auf die kleine Wallfahrt nach Mekka ("Umrah") zu verzichten. Notfalls werde er zurückkehrende Pilger in Quarantäne nehmen, drohte er. Die Regierung könne zwar in religiösen Fragen nichts anordnen, "aber niemand wird aus Saudi-Arabien direkt nach Hause zurückkehren können".

Auch muslimische Tierschützer in Ägypten reagierten in den letzten Tagen empört, als in Youtube heimlich gedrehte Videos auftauchten. Schweine wurden mit Eisenstangen erschlagen, ohne Betäubung abgestochen oder noch lebend durch Bulldozer mit Sand zugeschüttet. Andere wurden mit Chemikalien bestreut, an denen sie langsam und qualvoll verendeten. Selbst Brigitte Bardot hat inzwischen in einem Brief an Staatschef Hosni Mubarak protestiert und die "Ausrottung der Schweine" als "feige Aktion" angeprangert. Eine Antwort hat sie nicht erhalten.

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