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Rettungskräfte versorgen am Samstag im Bahnhof von Bielefeld eine Schülerin, die von einer Klassenfahrt nach Berlin kam.

© dpa

Hitze: 27 Schüler im ICE kollabiert

In einem Zug aus Berlin fiel die Klimaanlage aus – großer Rettungseinsatz in Bielefeld.

Von Andreas Oswald

Berlin/Bielefeld - Es ist ein Alptraum, was den Fahrgästen aus Berlin passiert ist. Am Samstag waren sie in der Hitze in den ICE Richtung Köln gestiegen. Das muss erst einmal sehr angenehm gewesen sein, draußen herrschten über 30 Grad, innen war es angenehm kühl. Mitten auf der Strecke aber fiel die Klimaanlage aus. Die Temperatur stieg sofort an, immer höher, Schilderungen zufolge auf über 50 Grad. Ein ICE ist völlig abgeschlossen, es findet kein Luftaustausch nach draußen statt, außer über die Klimaanlage.

Wenn sie funktioniert. Ein Bahnsprecher bestätigte am Sonntag die Vorfälle, über die die Online-Ausgabe des Bielefelder „Westfalen-Blatts“ berichtet hatte. 27 Schüler kollabierten sowie weitere erwachsene Fahrgäste.

Der Zug wurde in Bielefeld gestoppt, wo die Reisenden von einem Großaufgebot von Rettungskräften versorgt wurden. Reisende hätten geschildert, in dem völlig überfüllten Zug hätten Temperaturen jenseits der 50-Grad-Marke geherrscht. „Das war wie in einer Sauna. Fünf Minuten später wären bestimmt alle kollabiert“, sagte ein 16-jähriger Schüler dem Blatt. In den Waggons am Ende des Zuges seien reihenweise Menschen umgekippt und hätten sich auf den Boden legen müssen. Die Mutter eines etwa sieben Jahre alten Jungen habe in ihrer Verzweiflung versucht, während der Fahrt mit dem Nothammer eine Scheibe im Zug einzuschlagen, damit ihr kurz vor dem Kollaps stehender Sohn Luft bekam.

Auf dem Bielefelder Hauptbahnhof seien insgesamt 91 Rettungskräfte im Einsatz gewesen, hieß es. Viele Fahrgäste wurden mit Kochsalzinfusionen versorgt. Neun Schülerinnen seien mit Kreislaufproblemen in Krankenhäuser gebracht worden. Für die übrigen Schüler – überwiegend 16- bis 18-Jährige – habe die Bielefelder Feuerwehr klimatisierte Busse besorgt, die die Jugendlichen und ihre Lehrer in der Nacht zu Sonntag nach Hause bringen sollten.

Die Schüler kamen überwiegend aus Willich und Remscheid und befanden sich auf der Rückreise von einer Klassenfahrt nach Berlin.

Ein Sprecher der Bahn warnte am Sonntag eindringlich davor, beim Ausfall der Klimaanlage eine Scheibe einzuschlagen, wie das eine Mutter erwogen hatte. Im Zug herrsche Unterdruck. Wenn bei voller Fahrt eine Scheibe eingeschlagen werde, sei das eine große Gefahr für die Fahrgäste. Außerdem könne der Zug nicht fahren, wenn eine Scheibe zerbrochen sei. Das würde bedeuten, dass der Zug möglicherweise auf offener Strecke liegen bleibe, was die Lage der Fahrgäste nicht verbessere. Der Hammer zum Einschlagen der Scheibe sei nur für den Fall vorgesehen, dass ein stehender Zug in großer Eile evakuiert werden müsse.

Der Bahnsprecher sprach noch von zwei weiteren ICE-Zügen, in denen am Samstag offenbar die Klimaanlagen ausgefallen seien. Bei ihnen seien aber schon in Hannover die Fahrgäste auf andere Züge verteilt worden, nachdem sie von Helfern des Technischen Hilfswerks versorgt worden seien. Der Bahnsprecher machte von sich aus keine detaillierten Angaben zu den Vorfällen, drückte aber das Bedauern der Bahn aus. „Es tut uns leid für alle Fahrgäste, die betroffen waren.“

Fahrgäste, die den Ausfall einer Klimaanlage in einem ICE erleben, sollten sich erkundigen, ob die Klimaanlage in einem anderen Teil des Zuges noch funktioniert. Es gibt Schilderungen von Fahrgästen über einen Vorfall vor einer Woche, nach denen das Bahnpersonal von sich aus nicht dafür sorgte, dass die Betroffenen auf andere Teile des Zuges verteilt wurden, wo die Klimaanlage noch lief. Ein Bahnsprecher sagte dazu, es liege im Ermessen des Personals, solche Entscheidungen zu treffen. Es solle dabei flexibel sein. Ob diese Flexibilität auch bedeutet, dass Fahrgäste im Notfall auch in die erste Klasse verlegt werden, beantwortete er ausweichend.

Die anhaltende Hitze hat in Teilen Europas zu einer Zunahme von Todesfällen geführt. Derartige Berichte liegen aus Großbritannien und Spanien vor. Wie die britische Gesundheitsbehörde mitteilte, gab es bereits in den vergangenen zwei Wochen „mehrere hundert“ Todesfälle mehr als üblich. Auch wenn diese Daten nur vorläufig seien, vermuteten die Experten, dass die Hitze zumindest teilweise für diesen Anstieg verantwortlich sei, sagte ein Sprecher.

Nach Angaben der spanischen Gesundheitsbehörden starb ein 80-jähriger Mann in Cáceres im Osten des Landes an einem Hitzeschlag. Bereits am Mittwoch waren eine 55-jährige Frau und ein junger Mann an den Folgen der Temperaturen gestorben. Das Gesundheitsministerium konnte zunächst jedoch keine landesweiten Angaben machen.

Im August 2003 hatte eine Hitzewelle europaweit zahlreiche Todesopfer gefordert. In Frankreich starben damals nach offiziellen Angaben 15 000 Menschen, weil die Behörden zu spät reagierten und viele Altenpflegeheime wegen der Ferien personell unterbesetzt waren. In Großbritannien gab es damals etwa 2000 bis 3000 zusätzliche Todesfälle. mit ddp/AFP

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