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rockefeller

© Johannes Welte

Hochstapelei: Der Chiemgau-Rockefeller

Er nannte sich "Clark Rockefeller" und die Amerikaner nahmen ihn in die höchsten Kreise auf. Seit den Nachrichten über den Hochstapler ist in seinem Heimatort Bergen die Hölle los. Ein Besuch

Für die Polizei in Los Angeles steht jetzt fest: Der Mann, der sich in den USA als „Clark Rockefeller“ ausgegeben hat, ist ursprünglich ein Deutscher und stammt aus Bayern. Wie die „Los Angeles Times“ am Dienstag berichtet, haben zahlreiche Zeugen den Mann als Christian Karl Gerhartsreiter identifiziert, der aus dem bayerischen Ort Bergen im Chiemgau stammt. Er sitzt jetzt im Zusammenhang mit dem Verschwinden eines Ehepaares in Kalifornien in US-Haft. Er hatte jahrelang in den besten Kreisen in den USA verkehrt. Sein Identitätsschwindel war aufgeflogen, als er nach einer hässlichen Scheidung seine eigene Tochter entführte.

Es ist ein Wolken verhangener Tag in Bergen im Chiemgau. An der Bahnhofstraße, inmitten einer Wiese, liegt ein sauber hergerichtetes Häuschen, eine liebevolle Heimstatt: Ist hier ein echter Angehöriger der Rockefeller-Dynastie aufgewachsen? Seit der Meldung von dem falschen „Clark Rockefeller“ wimmelt es hier von US-Medien. Die TV-Sender ABC und NBC drehen in den Straßen, die „Washington Post“ recherchiert, der „Boston Globe“, der „Boston Herald“ suchen nach Interviewpartnern. Doch die besten Interviewpartner sind für die meisten Reporter unerreichbar – Mutter Irmgard, 78 Jahre alt und Bruder Alexander, 34: „Wir haben uns in eine Ferienwohnung von Bekannten zurückgezogen, der Rummel geht uns auf die Nerven und meine Mutter braucht dringend Ruhe“, sagt Alexander Gerhartsreiter.

Gasthaus zur Post: Am Stammtisch wissen die Bergener längst Bescheid. Vor der laufenden Kamera des US-Senders ABC wird hier eifrigst über den Fall diskutiert. „Des war schon oiwei so a komischer Kerl“, sagt Hans H. (52). Was genau Christian so komisch machte? Daran erinnern kann er sich aber nicht. Das können dafür Irene und Herbert Willinger, Besitzer des Hotels Salzburger Hof. Herbert war schließlich ein Klassenkamerad von der Grundschule, und Irene war eine Klasse unter ihm. „Er hat sich scho’ für etwas Besonderes gehalten, und er war auch anders als wir“, sagt der Hotelier. „Er hat scho’ oiwei a große Gosch’n ghabt.“ Irene erinnert sich dabei an diese Geschichte: „In der Früh hat er eimal zur Lehrerin g’sagt, als er verschlafen hat, sei Wecker is explodiert. Auf so was wär’n mir nia kemma.“ Und einmal habe er der Lehrerin Pfeffer aus der Hand ins Gesicht geblasen, mit den Worten: „Riechen Sie mal!“ Irene: „Er hat sich halt scho immer viel getraut, war aufmüpfiger als wir. Er konnte immer gut reden. Und scho ois Bua hat er g’sagt: ,Ich geh’ amoi nach Amerika.’ Doch böse, richtig böse, sei der Christian nie gewesen. Ihr tut die Mutter leid, die so lange nichts mehr vom Sohn gehört hat. Doch verurteilen will sie ihren Kindheitsfreund nicht. „Dass er seine Tochter entführt hat, das spricht eigentlich für ihn. Das macht nur ein Vater, der ein Herz hat.“

Auch an Christan Gerhartsreiters Vater kann sie sich noch erinnern, zu dessen Beerdigung der Hochstapler vor vier Jahren nicht nach Bergen kam.

„Das war ein ganz feiner Mann. Der war Landschaftsmaler, wir haben ihm sogar mal ein Bild abgekauft.“

Es waren einfache, aber intakte Verhältnisse, in denen Christian Gerhartsreiter aufwuchs. Vater Simon, der als 16-Jähriger zum Militär einrücken musste, litt zeitlebens an einer Kriegsverletzung der Lunge, Mutter Irmgard arbeitete als Schneiderin. „Wunderbare Nachbarn“, sagt die Frau nebenan.

Heinz Vachenauer kennt den Christian auch von kleinauf. „Als Kind war ich öfter zu Besuch. Mir Buam interessierten uns mehr für Skifahren und Fußball. Er war eher ein Tüftler. Baute ein Funkgerät oder ein Radio auseinander und hat was anderes daraus baut.“ Und obwohl Christian Gerhartsreiter eigentlich eher zierlich war, „ging der keiner Rauferei aus dem Weg“.

Johannes Welte[Bergen]

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