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Panorama: Hochwasser in Niedersachsen

Volle Talsperren und überschwemmte Straßen / Naturschutzbund fordert mehr Rückhalteflächen

Hannover - Starke Regenfälle haben in Niedersachsen die Pegel der Flüsse und Talsperren erheblich ansteigen lassen. An manchen Orten fielen seit Freitag bis zu 190 Liter Regen pro Quadratmeter — mehr als sonst im gesamten Januar, wie der Deutsche Wetterdienst mitteilte. Einige Flüsse traten über die Ufer, Keller liefen voll und Straßen wurden gesperrt. Zwischen Hamburg und Kiel wurde der Zugverkehr unterbrochen. Die Talsperren im Harz waren teilweise am Montag bis zum Rand gefüllt. In Nordrhein-Westfalen verursachten Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten bis 80 Kilometer pro Stunde leichte Schäden. In Nordhessen löste starker Regen am Morgen zwei Erdrutsche aus. In Sachsen-Anhalt stabilisierte sich die Lage dagegen. Unterdessen kritisierte der Naturschutzbund Niedersachsen (Nabu) die Hochwasserschutzpolitik des Landes.

Nach Angaben des Überregionalen Hochwasserwarndienstes waren vor allem die Leine sowie Wasserläufe in den südniedersächsischen Mittelgebirgsregionen von Überschwemmungen betroffen. Bei Greene lag der Pegel der Leine mit 5,22 Meter etwa doppelt so hoch wie sonst. Die Lage sei angespannt, sagte ein Sprecher der Warnzentrale: „Das ist schon ein ordentliches Hochwasser. Aber das kann im Winter schon mal vorkommen.“ In der Region Hannover, Braunschweig und Göttingen wurden einige Straßen gesperrt.

Im niedersächsischen Landkreis Soltau-Fallingbostel füllte die Feuerwehr rund 10 000 Sandsäcke, da bei Soltau der Fluss Böhme über die Ufer getreten war. „Wir sind dabei, mehrere Gebäude abzusichern, darunter die Bücherei und Teile der Innenstadt“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr. Das Wasser stehe bis zu einem halben Meter hoch in den Straßen. Auch die Wümme habe inzwischen einen Pegelstand erreicht, der zweieinhalb Meter über dem Normalstand liege. In Sachsen-Anhalt stieg das Hochwasser der Flüsse nicht mehr an. Nur im Harz bleibe die Lage angespannt, sagte Hydrologin Diana Rißmann vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Allerdings regnete es am Dienstagmorgen wieder. Die Innerste-Talsperre auf der niedersächsischen Seite des Harzes war vollgelaufen. Wasser musste kontrolliert abgelassen werden, wie ein Sprecher der Harzwasserwerke sagte.

Der Zugverkehr zwischen Hamburg und Kiel war kurz nach Mitternacht durch eine Überschwemmung am Gleisbett unterbrochen worden. Die Störung dauerte nach Bahnangaben mehrere Stunden. 15 Züge waren betroffen. Im Kreis Harburg wurde ein überschwemmtes Ferien- und Freizeitgebiet mit rund 30 Häusern evakuiert, weil ein Deich an der Wümme zu brechen drohte. Die Feuerwehr sicherte den Bereich mit Sandsäcken. Auch im Landkreis Rotenburg wurden zahlreiche Straßen gesperrt. In Delmenhorst hatte der Pegel der Delme bereits am Montagnachmittag einen Stand von 13,68 Meter erreicht. Somit habe der Fluss im gesamten Stadtgebiet einen freien Durchfluss, sagte ein Sprecher der Stadt. Die Stadt rief die Anwohner auf, wegen der Gefahr von Überschwemmungen keine Wertsachen im Keller aufzubewahren.

An den Talsperren könnte die Lage bei anhaltenden Regenfällen noch bedrohlich werden. Nach Angaben der Harzwasserwerke ist die Innerste-Talsperre bereits zu 95 Prozent gefüllt. Vermutlich am Dienstagmorgen werde sie komplett gefüllt sein, sagte ein Sprecher. Eventuell müsse die Abflussmenge aus dem Stausee dann auf das Doppelte hochgefahren werden. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) fielen vor allem im Süden Niedersachsens am Wochenende erhebliche Regenmengen. In Braunlage im Harz waren es von Freitag bis Sonntagabend rund 148 Liter pro Quadratmeter. „Das ist deutlich mehr als das gesamte Januar-Soll“, sagte ein DWD-Meteorologe.

Angesichts der Überschwemmungen kritisierte der Nabu die Hochwasserpolitik der Landesregierung. Es müssten Schlüsse aus der Klimaveränderung gezogen und ein landesweites Programm für Rückhalteflächen umgesetzt werden, sagte der Landesvorsitzende Hans-Jörg Helm. „Die jahrzehntelange Politik das Wasser möglichst schnell abzuführen, bringt nur größere Hochwasserprobleme und Straßensperrungen bei den unten liegenden Anrainern mit sich.“ Im Tagesverlauf sollte Tief „Nicole“ für weitere Regenschauer im Norden sorgen. Allerdings hat der Wetterdienst seine Niederschlagsprognosen nach unten korrigiert, so dass sich die Lage etwas entspannen könnte. Ab Dienstag soll Hoch „Andreas“ mit polarer Meeresluft winterliche Temperaturen und Sonnenschein zurück in den Norden bringen.

Unterdessen waren auch andere Regionen der Welt von sintflutartigen Regenfällen betroffen. In Großbritannien mussten wegen der Niederschläge Straßen gesperrt werden, in Bolivien wurde nach Überschwemmungen und Erdrutschen von Präsident Evo Morales der Notstand ausgerufen. Seit November seien bereits 24 Menschen Opfer des Klimaphänomens „La Niña“ geworden, das die ungewöhnlich starken Niederschläge ausgelöst habe, berichteten Medien.ddp/dpa

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