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Panorama: Hochwasser: Mit jedem Zentimeter

Die Bank gegenüber dem Pegelhäuschen in Ratzdorf am Zusammenfluss zwischen Oder und Neiße in Südostbrandenburg dürfte in diesen Tagen zu den beliebtesten ihrer Art gehören. Wer hier einen Platz ergattert, hat den besten Blick auf die ständig wechselnde elektronische Anzeige des Pegels und kommt unwillkürlich mit Menschen aus ganz Deutschland ins Gespräch.

Die Bank gegenüber dem Pegelhäuschen in Ratzdorf am Zusammenfluss zwischen Oder und Neiße in Südostbrandenburg dürfte in diesen Tagen zu den beliebtesten ihrer Art gehören. Wer hier einen Platz ergattert, hat den besten Blick auf die ständig wechselnde elektronische Anzeige des Pegels und kommt unwillkürlich mit Menschen aus ganz Deutschland ins Gespräch. Der gestiegene Wasserstand zieht Neugierige geradezu magisch an. Fachsimpelnd stehen sie am Ufer und schauen gespannt auf den Strom. Um zweieinhalb Meter stieg er bislang an und überschwemmte Wege und Ränder der ersten Grundstücke. An einem Baum neben der begehrten Bank ist noch eine beim Jahrhunderthochwasser vor vier Jahren angebrachte Markierung zu erkennen.

Am Montag wurde für den Landkreis Oder-Spree Alarmstufe I ausgerufen. Das bedeute, dass die Pegelstände regelmäßig beobachtet und täglich veröffentlicht werden, teilte das Hochwassermeldezentrum Frankfurt (Oder) mit.

In Ratzdorf prasseln die Meinungen durcheinander. "Das Wetter ist doch genau wie damals", sagt eine Frau. "Da kommt bestimmt noch was runter." Andere zitieren die gerade im Autoradio gehörten Nachrichten. "Die Deiche in Brandenburg sind sicher." Widerspruch kommt aus einer anderen Ecke. "Das haben die da oben auch 1997 gesagt und dann kam es doch zum Deichbruch." "Mich lässt die Angst vor einer neuen Überschwemmung unseres Dorfes einfach nicht in Ruhe." Sofort wird die Ratzdorferin von einem Fernsehteam in Beschlag genommen. Sie wolle keine Panik herbeireden, "aber jeder Zentimeter mehr auf der Anzeige am Pegelhäuschen steigere die Aufregung". Die Reporter sind zufrieden.

Doch für sie trifft der abfällige Begriff von "Katastrophentouristen" nicht zu. "Wir haben vor vier Jahren viel Geld gespendet, um das Leid der Bewohner nach dem Deichbruch etwas zu mildern", berichtet ein aus Süddeutschland stammender Urlauber. "Schon vor zwei Jahren war ich in dieser mir damals völlig unbekannten Gegend. Der Zufall führte mich wieder hierher und plötzlich steigt das Wasser."

In der Menge wird Ratzdorfs Bürgermeisterin Ute Petzel entdeckt. Sofort muss sie Fragen nach dem noch immer fehlenden Deich vor ihrem 335-Einwohner-Dorf beantworten. Die Bürgermeisterin hebt die Schultern und berichtet von der Weigerung mehrerer Grundstückseigentümer, einige Quadratmeter für den Deichbau zur Verfügung zu stellen. Die Volksseele kocht. Der Staat müsse die "Sturköpfe" enteignen oder mehr Geld anbieten.

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