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Mit Sandsäcken schützt sich der Ort Kabelsketal vor den nahenden Fluten.

© Hendrik Schmidt/dpa

Hochwasser: "Wasser hat einen spitzen Kopf"

Nach dem Augusthochwasser wird schon wieder gegen Wassermassen gekämpft. Katastrophenalarm bei Görlitz und Meißen – aber der Regen zieht schneller ab als erwartet.

Die meisten gängigen Straßenkarten sparen sich die Große Röder zwischen Radeberg in der Nähe von Dresden und der sächsisch-brandenburgischen Landesgrenze bei Elsterwerda. Denn trotz des Namens handelt es sich nur um einen schmalen Bach von gerade einmal 80 Zentimeter Tiefe. Am Montag und Dienstag aber trauten Anwohner ihren Augen kaum. Ihr unscheinbarer Wasserlauf hatte sich buchstäblich in einen reißenden Fluss verwandelt. Auf vorher nicht für möglich gehaltene drei Meter Höhe schwoll das Wasser an und breitete sich etwa in Großdittmannsdorf unweit der Autobahn zwischen Berlin und Dresden zu einem riesigen See aus. Doch zum Kopfschütteln und Fachsimpeln über die Herkunft der ungeheuren Regenmassen blieb den Einwohnern so wie in vielen anderen Gemeinden im östlichen Sachsen, in Südbrandenburg und in Sachsen-Anhalt nicht viel Zeit. Mit Sandsäcken und provisorischen Erdwällen versuchten sie, ihre Grundstücke und Häuser zu schützen oder in Not geratene Hausbewohner mit Booten zu retten.

Vielerorts erweist sich die Kraft der Flüsse und Bäche als unberechenbar. „Wasser hat einen spitzen Kopf“, sagt ein Feuerwehrmann in einer kurzen Pause am Rande von Großenhain. „Der kommt fast überall durch.“ Die Nachrichten aus dem Radio im offenen Lkw lassen am Mittag für einen Moment sogar ein erleichtertes Lächeln über die Gesichter der Einsatzkräfte huschen. Zwar gelte in den Kreisen Görlitz und Meißen weiterhin Katastrophenalarm. „Aber der Regen zieht schneller als erwartet ab“, verkündet die Meteorologin. Ihre weiteren Sätze über Rekordregenmengen von 80 Litern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden in Deutschneudorf im Erzgebirge oder von 60 Litern in Leipzig gehen im Krach der Planierraupe und der Bagger unter.

Das vorläufige Ende der heftigen Niederschläge, die sich nach dem Zusammentreffen von feuchtwarmer Luft aus dem Mittelmeerraum und kalter Winde aus dem hohen Norden auf das südliche Ostdeutschland ergossen, löst bei Anwohnern und Helfern sichtliche Erleichterung aus. Angesichts der wie ein Schwamm vollgesaugten Landschaft wird nach drei Tagen jede Stunde ohne Regen als großer Segen betrachtet. Während die Regionen nördlich von Dresden oder im Saalekreis zwischen Leipzig und Halle schon eine ganze Weile vom Hochwasser verschont geblieben waren, sieht es an der Neiße rund um Görlitz oder an der Spree in Bautzen ganz anders aus. Gerade sieben Wochen liegt die Hochwasserkatastrophe in Sachsen mit vier Toten und 800 Millionen Euro Schaden zurück. Görlitz meldete am Dienstag einen Pegelstand von sechs Metern. Da der Fluss im August noch um fast einen Meter höher geklettert war, verzichtet die Stadt bisher auf Evakuierungen. „Die Deiche halten dem Druck noch stand“, erklärte die Leiterin des Katstrophenstabes Martina Weber. Dennoch stehen auf dem polnischen Ufer bereits mehrere Straßen und Keller wieder unter Wasser.

Aufregung herrscht auch in Ostritz auf halbem Wege zwischen Zittau und Görlitz. Transportable Spundwände aus Aluminium verhindern zwar die komplette Überflutung wie im August, aber dennoch hat die Neiße mancherorts ihr angestammtes Bett verlassen. Vor allem das Kloster St. Marienthal, in dem das Augusthochwasser Schäden von rund zehn Millionen Euro angerichtet hatte, wird mit aller Macht gegen die Fluten verteidigt. Auch ein Autohändler kämpft mit seinen Angestellten um die Begrenzung der Schäden. „Wir können unserer eigentlichen Arbeit nicht nachgehen und deshalb auch kein Geld verdienen“, sagt der Geschäftsmann Klaus-Dieter Gothan. Nach dem Augusthochwasser habe er noch weitere zweimal gegen Hochwasser gekämpft. Diesmal aber sei es wieder sehr schlimm.

Einige Ostritzer haben schon am vergangenen Wochenende, als der Wetterbericht die lang andauernden Niederschläge ankündigte, ihrer Heimatstadt den Rücken gekehrt. Sie wollten sich der nervlichen Anspannung von ständig steigenden Pegelständen nicht noch einmal aussetzen und sind vorübergehend zu Freunden und Verwandten gezogen.

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