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Die Flussauen der Neiße bei Görlitz. Beim Hochwasser 2010 sind sie überflutet worden und haben so zumindest einige Innenstädte und Dörfer vor einer Überschwemmung bewahrt. Den Ort Hagenwerder hat das allerdings nicht gerettet.

© Matthias Hiekel/picture-alliance-dpa

Hochwasserschutz: Was Flussauen wert sind

Die Chefin der Naturschutzbehörde, Beate Jessel, hat den ökonomischen Nutzen von Feuchtgebieten berechnen lassen. Das Ergebnis: Intakte Flusslandschaften schützen vor Hochwasser, reinigen das Wasser und sind schön anzusehen.

Beate Jessel will sich nicht daran gewöhnen, dass der Schutz der Auenlandschaften nur dann Konjunktur hat, wenn gerade Flutkatastrophen im Gang sind. Nach der Oderflut 1997, der Elbeflut 2002 und der Elbe- und Donauflut 2013 schallte jedes Mal der Ruf durchs Land: Gebt den Flüssen mehr Raum! Warum es sich auch ökonomisch lohnen würde, diesem Ruf tatsächlich zu folgen, hat die Chefin des Bundesamts für Naturschutz (BfN) gerade berechnen lassen.
Achim Schäfer und Astrid Kowatsch von der Universität Greifswald haben den volkswirtschaftlichen Nutzen der Auen abgeschätzt. An konkreten Beispielen haben sie die Kosten für die Wiederherstellung der Auenwälder rund um die Flüsse dem wirtschaftlichen Nutzen gegenüber gestellt. Zwischen 2002 und 2009 hat der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) im Auftrag des BfN durch eine Deichrückverlegung 420 Hektar Überschwemmungsfläche an der Elbe bei Lenzen zurückgewonnen. Dort, wo die Elbe sich vor der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung hatte ausbreiten können, breitet sie sich zum im Notfall wieder aus. Beim Sommerhochwasser 2013 hat sich das zum ersten Mal ausgezahlt. Die Scheitelwelle der Flut lag um 49 Zentimeter niedriger als ohne den neuen alten Rückhalteraum. Auf einer Flussstrecke von 30 Kilometern machte sich das noch positiv bemerkbar, berichtete Jessel.

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Zudem filtern die Feuchtwiesen Stickstoff und Phosphor aus dem Wasser und halten es zurück. Allein das spart jedes Jahr Kosten für Dünger und die Entfernung der Nährstoffe in Kläranlagen von 178 500 Euro. Dazu kommen ein höherer Erholungswert der Landschaft, den sich Touristen auch etwas kosten lassen, und die vermiedenen Schäden im Hochwasserfall. Schäfer und Kowatsch kalkulieren für die Wiederherstellung der Auen an der Elbe auf einer Fläche von 35 000 Hektar Kosten von 566 Millionen Euro. Dem stehe ein volkswirtschaftlicher Nutzen von 1,75 Milliarden Euro gegenüber, argumentieren sie.

In dieser Summe sind vermiedene Schäden, die Reinigungswirkung der Auen, der höhere Erholungswert und die eingesparten Unterhaltskosten für Deiche eingerechnet. Sie haben aber zusätzlich in einer repräsentativen Umfrage ermittelt, wie viel die Deutschen für intakte Auen bereit wären selbst jährlich auszugeben. Diese Zahlungsbereitschaft von rund 109 Euro im Jahr summiert sich dann auf 926 Millionen Euro allein für die Elbe-Renaturierung. Das deckt sich mit den Werten der repräsentativen Umfrage zum Naturbewusstsein, die das BfN vor zwei Jahren vorgelegt hat. Von den rund 2000 befragten Deutschen waren 90 Prozent der Meinung, dass ein naturnaher Fluss "schöner ist" als ein begradigter. Allerdings dürften das die Flussanlieger, die ihr Land für diese Renaturierung hergeben sollen, etwas anders sehen. Das weiß auch Jessel, die aus Erfahrung weiß, dass "Deichrückverlegungen komplexe Unternehmungen, die den längsten Atem brauchen".
Im Auenzustandsbericht hatte das BfN vor sechs Jahren festgestellt, dass zwei Drittel der Auen zerstört sind. In den vergangenen 15 Jahren seien aber ein Prozent dieser Flächen zurückgewonnen worden, sagt Jessel. Im aktuellen Zustandsbericht über die biologische Vielfalt, den das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat, hat das allerdings kaum Auswirkungen. Der Messwert für den Zustand der Auen ist weit vom Zielwert entfernt. Deshalb ist es Jessel auch wichtig, „dass mindestens ein Drittel der für Hochwasserschutz bereitgestellten Bundesmittel von 1,2 Milliarden Euro auch tatsächlich dafür genutzt wird, Deichrückverlegungen umzusetzen“ und nicht nur Dämme zu erhöhen.

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