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Hochzeit im Hause Becker: Ein Mann, eine Marke

Die meisten Prominenten versuchen ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit abzuschirmen. Boris Becker inszeniert sein Privatleben in aller Öffentlichkeit – er kann nicht anders.

Beim Promi-Status stehen sich Boris Becker und Günther Jauch in nichts nach. Beim Heiraten schon. Als Günther Jauch und Thea Sihler im Juli 2006 zur Trauung schritten, hatte der Fernsehstar den Medien jegliche Berichterstattung untersagen lassen. Der Bildschirm-Mann wollte es privat haben. Boris Becker hat gestern Sharlely „Lilly“ Kerssenberg geheiratet. Der frühere Tennisprofi hatte sämtliche medialen Rechte verkauft, er wollte es so öffentlich wie für ordentliche Erlöse nötig haben.

Günther Jauch hat einen Beruf. Er ist ein sehr erfolgreicher Fernsehmoderator und TV-Produzent. Boris Becker hat keinen Beruf erlernt, er hat trotzdem einen: Er ist sehr erfolgreich Boris Becker. Eine Marke, wo Jauch Fernsehmarken setzt. Eine lebende Marke lebt von der Lebendigkeit des Markenträgers. Da ist der 41-jährige Becker fleißig und konsequent. Er bedient die Medien, weil nur sie ihm dieses Ausmaß an Öffentlichkeit garantieren können, das die geldwerte Werbe- und Promifigur Becker braucht.

Die Bekanntheit in Deutschland ist kein Ergebnis von Zufall, Herkunft (oder Heirat!), sie ist das Resultat von Leistung. Die Plattform, auf der sich Becker heute präsentiert, die hat sich der Leimener selbst gebaut. Als Nobody hat er mit gerade 17 Jahren das Tennisturnier in Wimbledon gewonnen und – gemeinsam mit Steffi Graf – einen sagenhaften Tennisboom ausgelöst. Die weitere Karriere hat aus dem siegreichen Profispieler einen Nationalhelden mit eigenem Gestus („Becker-Faust“) gemacht. „Boris“ gleich „Franz“ (Beckenbauer). Ein Leben ohne solche Stars ist für jeden Deutschen natürlich möglich, aber zugleich sinnlos. Der „Boris“, der „Franz“ sind Lebensbegleiter und damit in vielen Fällen treuer als der Lebenspartner.

Nach seiner grandiosen Sportlerkarriere hat das interessierte wie staunende Publikum Becker als scheiternden Unternehmer – Mercedes-Niederlassung in Stralsund, Internet-Portal „Sportgate“, Fernsehtalker – erlebt. Sicher konnte Becker nur seiner selbst sein, in Bild und Ton und jüngst mit Boris-Becker-TV auch im Internet. Privat geht bei ihm nur öffentlich. Der öffentliche Becker zieht seine Leistung und seinen Profit nicht aus handfesten Leistungen, sondern aus seiner Prominenz. Boris Becker, sofern dieses Berufsbild existiert, ist ein Leistungsprominenter. Einer, der wissen muss, dass er die Bildreporter und Klatschtanten hinter sich herziehen muss wie ein Medienkomet seinen auffälligen Schweif. „Bild“ und RTL sind die treuesten Sekundanten im Leben des Boris Becker.

Mit Normalität geht das nicht. Wer so groß lebt wie Boris Becker, der benötigt immer größere Gesten, immer staunenswertere Symbole und vor allem ganz viel Selbstvergewisserung. Für das Becker-Universum nur logisch, dass Frau Kerssenberg jetzt „Frau Becker“ heißt, die Hochzeit musste riesengroß in St. Moritz gefeiert werden, Ring und Kleid und Menü sprengen die Grenzen des normalbürgerlich Vorstellbaren. Die Erwartungen sind entsprechend geschürt worden.

Hochzeitsabsichten und -termine kündigt Becker bevorzugt in der ZDF-Show „Wetten, dass ...?“ an. Da sind mindestens zehn Millionen Ohren- und Augenzeugen garantiert, was dem Wichtigkeitsgefühl des Architektensohns entspricht. Moderator Thomas Gottschalk war zur Trauung nach St. Moritz eingeladen, dummerweise muss Gottschalk aber heute Abend in Palma de Mallorca seine Show moderieren. Der größte Clou wäre, wenn ein Stier plötzlich Herr und Frau Becker in die Arena tragen würde ...

Mit der zweiten Hochzeit ist das allgemeine Interesse am deutschen „BB“ wieder upgegradet worden. Kaum eine einschlägige Titelseite, kaum ein Boulevardmagazin im Fernsehen kann auf das deutsch-niederländische Paar verzichten. Was ihnen Boris Becker gibt, wird er sich bei PR-Terminen und Werbeauftritten wiederholen. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.

Boris Becker darf nie wieder unsichtbar werden, eine Gefahr, die er mit dem Boris-Becker-Fernsehen zu bannen geglaubt hatte. Nur ist das Alltagsleben, sind seine Ansichten und Meinungen erschreckend langweilig, eben: alltäglich. Das Becker-Leben muss wenigstens eine Ebene drüber spielen, gerne darf es ein Drama sein, auf jeden Fall dramatische Momente bieten. Drama garantiert Aufmerksamkeit für die Ware Becker. Wer, welches Medium wird die ersten Krisenzeichen in der Ehe ausmachen? Egal, der Leser und Zuschauer wird es erfahren. Boris Becker auszuweichen hieße, sich selber unsichtbar zu machen.

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