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Panorama: Hörgeschädigter Lehrling misshandelt

Ein neuer Fall in Hildesheim: Diesmal waren die Peiniger nicht Klassenkameraden, sondern Ausbilder

Sie sahen es angeblich als Scherz an. Für ihr Opfer aber war es eine Qual: Im Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte (LBZH) sollen zwei Ausbilder einem Lehrling eine Zange um den Hals gelegt und zugeschweißt haben. Damit hat erneut ein Fall von Gewalt an einer Hildesheimer Bildungseinrichtung die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen – nur fünf Monate nach den Misshandlungen an der Werner-von-Siemens-Schule.

Wie Oberstaatsanwalt Bernd Seemann auf Anfrage bestätigte, ermittelt die Hildesheimer Staatsanwaltschaft gegen einen 45-jährigen Meister und einen 57 Jahre alten Gesellen. Der Vorwurf: Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung. Die Tat soll sich bereits am 29. Juni in der Lehrwerkstatt des Landesbildungszentrums an der Silberfundstraße ereignet haben. Nach Auskunft des LBZH-Direktors Joachim Seifert sind die beiden beschuldigten Mitarbeiter inzwischen fristlos entlassen worden. Nach Aussage des 22-jährigen Opfers hatten ihm die beiden Männer in der Lehrwerkstatt aufgetragen, das spätere Tatwerkzeug, eine so genannte Tiegelzange, von Schweißpickeln zu befreien. Er verstehe sich nicht gut mit den Ausbildern, sagte der leicht Hörgeschädigte später gegenüber der Polizei.

Oft sei er angemeckert und beschimpft worden, weil er Arbeiten nicht wunschgemäß ausgeführt habe. Im Fall der Tiegelzange sei das nicht anders gewesen. Nur, dass ihm diesmal der unzufriedene Meister den Greifring der Zange um den Hals gelegt und das etwa 90 Zentimeter lange Werkzeug geschlossen habe.

Der 22-Jährige bekam zwar weiter Luft, doch das Werkzeug hing nun wie ein Joch an seinem Hals. Eine Qual. Erst recht, als der Geselle auf Anweisung des Meisters die Griffe der Zange zugeschweißt habe. Das sei kein Spaß und man möge doch loslassen, soll das Opfer gerufen haben.

Ohne Erfolg. Die Ausbilder machten angeblich weiter, die Klassenkameraden sahen zu. Dann gelang ihm schließlich die Flucht aus dem Werkraum. Verstört rettete sich der junge Mann in den Verwaltungstrakt des LBZH, traf hier auch auf den Direktor Joachim Seifert. Der eilte mit dem 22-Jährigen sofort zurück in den Werkraum.

Die anderen acht Metalllehrlinge hätten zunächst noch gelacht, erinnert sich Seifert: „Die haben das als Jux aufgefasst, genau wie die beiden Ausbilder.“ Doch zum Scherzen war dem Oberstudienrat nicht zu Mute. Erst sorgte er dafür, dass der Meister die Zange mit der Trennscheibe öffnete und so den Auszubildenden befreite. Keine 90 Minuten später waren die beiden Ausbilder vom Gelände geschickt, vom Dienst beurlaubt und mit einem Hausverbot belegt.

Laut Seifert sind die Männer zuvor nie negativ aufgefallen. „Der Meister war 16 Jahre bei uns, hat gut gearbeitet. Seine Auszubildenden hatten gute Ergebnisse in den Prüfungen“, sagt der Direktor. Gewalttaten habe es zuvor nicht gegeben.

Weshalb es dann zu dem Übergriff am 29. Juni kam? Seifert weiß es nicht.

„Ein Blackout“, vermutet er und ergänzt: „Vielleicht sucht man sich immer einen Schwächeren als Opfer.“ Und tatsächlich passt der 22-Jährige wohl in diese Schablone: Eher lernschwach, absolviert er im Gegensatz zu fast allen seiner sonst zwölf Klassenkameraden nur eine „abgespeckte“ Metallausbildung – keine Theorie, nur Praxis. Aus Sicht seiner Lehrer ein schwieriger Schüler, der häufig Widerworte hat. Ein Außenseiter offenbar. Aber warum dieser Übergriff? Die Beschuldigten verweigern die Aussage.

Christian Wolters[Hildesheim]

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