zum Hauptinhalt
Luftbild des Hauses des beschuldigten Ehepaares, aufgenommen am 04.05.2016 in Höxter-Bosseborn (Nordrhein-Westfalen). Ein Paar aus der Stadt in Ostwestfalen soll mehrere Frauen auf seinem Gehöft grausam misshandelt haben - mindestens zwei Opfer starben.

© dpa

Update

Höxter-Bosseborn: Zur Strafe in das "Katzenzimmer" unter dem Dach

Ermittler haben drei weitere Frauen ausfindig machen können, die von dem Paar in Höxter misshandelt worden sein sollen. Unterdessen werden weitere Details zu Opfern und Tätern bekannt.

Ermittler der Mordkommission "Bosseborn" haben drei weitere Frauen identifiziert, die von dem tatverdächtigen Paar Wilfried Max W. und Angelika B. in Höxter misshandelt worden sein sollen. Wie die Polizei in Bielefeld in einer Pressemitteilung am Montag schreibt, haben die Beamten Kontakt zu den Frauen aufgenommen. Woher die mutmaßlich misshandelten Opfer stammen, sagte die Polizei nicht. Ob sie in dem Haus in Höxter waren, wollten die Beamten ebenfalls aus ermittlungstechnischen Gründen nicht kommentieren.

Nach Informationen der "Bild-Zeitung" sollen die Frauen aus Magdeburg, Holzhausen und Herford kommen. Auch die Tatverdächtige Angelika B. ist in Herford geboren. Sie hatte Wilfried W. im Jahre 1999 kennengerlernt. Die beiden heirateten und wechselten mehrfach den Wohnort. Sie wohnten auch in Schlangen im Kreis Lippe. 2011 zogen sie nach Höxter-Bosseborn und ließen sich dort scheiden. Angelika B. lebte weiter bei Wilfried W. und gab sich teilweise als seine Schwester aus.

50 neue Hinweise aus der Bevölkerung

Zudem teilte die Polizei mit, dass sich aus den Ermittlungen heraus neue Hinweise auf weitere Opfer ergeben haben. Diese Personen stünden aber noch nicht eindeutig fest.

Der 46 Jahre alte Beschuldigte hatte zusammen mit seiner 47 Jahre alten Ex-Frau jahrelang Frauen per Kontaktanzeige nach Höxter-Bosseborn gelockt. Auf dem Gehöft in Ostwestfalen sollen sie die Frauen gequält und körperlich misshandelt haben. Zwei Opfer aus Niedersachsen kamen dabei ums Leben. Bisher bekannt ist, dass eine 51-Jährige aus dem Großraum Berlin von dem Paar misshandelt und in den Haus festgehalten wurde. Sie hatte auf eine Kontaktanzeige von Wilfried W. geantwortet.

Derweil sind bei der Polizei in Bielefeld 50 Hinweise über die Service-Nummer 0521 / 545 1155 eingegangen. Hier haben sich jedoch keine neuen Opfer gemeldet. Auch habe sich kein Frau von sich aus bei der Polizei gemeldet, wie eine Sprecherin sagte.

Auf der Suche nach Opfern soll das Paar aus Höxter auch Annoncen in Tschechien geschaltet haben. Dem Polizeipräsidium in Prag liegen jedoch noch keine Anzeigen von Frauen vor, wie eine Sprecherin zur Deutschen Presse-Agentur sagte. Man sei bereit, mit den Behörden in Deutschland zusammenzuarbeiten, habe aber noch keine entsprechende Anfrage erhalten. Über den Fall hatten Zeitungen und Fernsehsender auch in Tschechien ausführlich berichtet.

Unterdessen werden die Beamten die Spurensuche in dem Haus in Höxter an diesem Wochenende nicht fortsetzen. Die Asservatenkammer im Polizeipräsidium Bielefeld sei "bis oben hin voll mit Kisten", so die Polizei. An der Vielzahl von Gegenständen müssten nun erst Spuren ausgewertet werden.

"Meine Mandantin wurde von ihrem Mann seit der Hochzeit malträtiert"

Wie die Lokalzeitung "Westfalen-Blatt" schreibt, soll Wilfried W. zwei Kinder aus früheren Ehen haben. Ihm und Angelika B. soll das Jugendamt "im Nacken gesessen" haben. Das Amt soll von der Frau verlangt haben, ihre Einkünfte offenzulegen, um Kindesunterhalt einzutreiben. Der Zeitung zufolge soll das der Grund gewesen sein, warum sich die Hartz-IV-Empfänger 2013 scheiden ließen.

Ermittler beschreiben Angelika B. als "empathielos". Sie soll die schlimmsten Dinge völlig unbewegt und eiskalt schildern. Sie wirke aber intelligenter als Wilfried W., so die Ermittler. Die Frau ist in Herford geboren und wuchs in Bad Salzuflen auf, wo sie eine Ausbildung zur Gärtnerin machte. 1999 antwortete sie auf eine Kontaktanzeige von Wilfried W. - auf den Tag genau zwei Monate später heirateten die beiden. Nachdem sie 2002 arbeitslos wurde, hatte sie nie wieder eine richtige Anstellung. Im Haus in Höxter habe man, um Geld zu sparen, die Heizung ausgestellt. Nur Wasser zum Duschen und Waschen habe man von der Ölheizung erwärmen lassen.

Bei der Mordkommission sagte Angelika B. aus, Sexualität habe in ihrer Beziehung schon seit Jahren keine Rolle mehr gespielt. Aber Gewalt. Ihr Anwalt Peter Wüller zum "Westfalen-Blatt": "Meine Mandantin wurde von ihrem Mann seit der Hochzeit malträtiert. Sie hat 17 Jahre unter ihm gelitten, aber sie hat ihn nicht verlassen, weil sie ihn liebte." Dass Wilfried W. bereits wegen Kleinigkeiten ausgerastet sein soll, hatte bereits Ralf Östermann, der Leiter der Mordkommission, gesagt. Von ähnlichen Nichtigkeiten erzählte Angelika B. auch Vernehmungsbeamten der Mordkommission. 

Plastiktüten über den Kopf

So habe er Fragen gestellt, die sie ihm hätte beantworten müssen. Er sei jedoch nie mit der Antwort zufrieden gewesen. So habe es im Haus stundenlange Diskussionen um Nichtigkeiten gegeben. Er habe von allen Frauen verlangt, ihm beim Antworten ins Gesicht zu sehen. Wenn sie nicht mehr diskutieren wollten, sei er ausfallend und gewalttätig geworden. Zudem soll er Angelika B. Plastiktüten über den Kopf gezogen, sie geschlagen und getreten haben. Sie schätzt, 20 Mal bei dieser Form der Quälerei bewusstlos geworden zu sein.

Auch das Leben mit den anderen Frauen im Haus beschreibt die Angeklagte Angelika B.: Man habe aus Kostengründen zu Dritt vor dem Kamin im Wohnzimmer geschlafen. Laut der Ermittler in Paderborn habe es in dem Haus in Höxter keinen speziellen Raum zur Folter gegeben. Dem "Westfalen-Blatt" zufolge sagte Angelika B. später aus, die Opfer seien zur Strafe in das "Katzenzimmer" unter dem Dach gesperrt worden. So hatte es auch Annika W. erdulden müssen, die ihren Peiniger Wilfried W. 2013 heiratete und in das Haus nach Höxter zog. Angelika B. lebte da immer noch in dem Haus und gab sich zunächst als Schwester aus.

Leichenteile im Wohnzimmerkamin verbrannt

Sie hatte bei Verhören gesagt, alle Misshandlungen selbst ausgeführt zu haben, da sie ihrem Ex-Mann hörig gewesen sei. Er habe ihr nie einen konkreten Auftrag erteilt, aber sie habe gewusst, dass er es erwarte, wenn er mit Blick auf eine Frau etwa gesagt habe: "Die zickt rum". So habe sie Annika W. im "Katzenzimmer" mit Handschellen gefesselt und dann an die Heizung gekettet. Weil die Kette aber in der Nacht Geräusche gemacht habe, habe sie Annika W. schlagen müssen. Weiter soll Angelika B. ausgesagt haben, die Verbrennung der Leiche von Annika W. übernommen zu haben. Sie will die Leiche in der Tiefkühltruhe versteckt und später zersägt haben. Die Leichenteile will sie im Wohnzimmerkamin verbrannt haben und die Asche, mit Granulat versiebt, auf der schneebedeckten Straße verteilt haben. Experten haben bereits Zweifel angemeldet, dass man eine Leiche in einem Kamin ausreichend verbrennen kann - die Hitze sei nicht hoch genug.

Der Anwalt will seiner Mandantin raten, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen. "Ich denke, dass sie die eingesperrten Frauen gequält hat, weil sie glaubte, ihren Ex-Mann damit ruhigzustellen und nicht selbst noch mehr misshandelt zu werden."

Erstes Höxter-Opfer hinterlässt zwei Kinder

Zu den zwei Todesopfern gehört auch die 41-jährige Susanne F. aus Bad Gendersheim. Drei Monate wurde sie in den Haus in Höxter gequält. Sie war im Krankenhaus an den schweren Verletzungen gestorben - das Paar hatte versucht, die Frau zurück nach Bad Gandersheim zu bringen. Die Zeitung "Soester-Anzeiger" veröffentlichte weitere Details zu dem Opfer. Demnach soll Susanne F. in einer Psychiatrie geboren worden sein - als Kind einer sehr jungen, dort stationär behandelten Mutter. Wie die Zeitung "Gandersheimer Kreisblatt" berichtet, wurde Susanne F. in Werl im Sauerland geboren.

Die ersten Lebensjahre verbrachte sie im Kinderheim, mit vier Jahren wurde sie dann von einer Familie in Wiehagen (Nordrhein-Westfalen) als Pflegekind aufgenommen. Ebenfalls in Wiehagen heiratet die Frau und setzt einen Sohn in die Welt. Bald wird die Ehe jedoch annulliert. Susanne F. verlässt Wiehagen, zieht nach Essen, geht eine zweite Ehe ein und bekommt ein weiteres Kind. Mit dieser Familie zieht sie nach Dortmund, dort zerbricht im Sommer 2015 auch diese Ehe. Anfang 2016 zieht sie nach Bad Gandersheim in Niedersachsen. Dort reagiert sie dann auf eine Kontaktanzeige von Wilfried W. aus Höxter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false