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Panorama: Homopärchen: Familienidylle einmal andersherum

Eigentlich ist alles so wie immer in der Werbung: Im gemütlichen Esszimmer sorgen Kerzen und zwei Gläser Rotwein für romantische Stimmung. Wenn jetzt vom Herd noch eine symphatische Frauenstimme verkündet, das Essen sei fertig, weiß der Fernsehzuschauer, dass er in der klassischen Familienidylle der Lebensmittelwerbung ist.

Eigentlich ist alles so wie immer in der Werbung: Im gemütlichen Esszimmer sorgen Kerzen und zwei Gläser Rotwein für romantische Stimmung. Wenn jetzt vom Herd noch eine symphatische Frauenstimme verkündet, das Essen sei fertig, weiß der Fernsehzuschauer, dass er in der klassischen Familienidylle der Lebensmittelwerbung ist. Doch diesmal ist etwas anders: Am Herd steht keine Frau, sondern ein Mann, und - was das eigentlich Revolutionäre ist - im Esszimmer wartet auch ein Mann.

Holger und Max sind das erste schwule Pärchen in der deutschen Fernsehwerbung. Sie sind jung, gebildet und charmant und werben seit neuestem für die Tiefkühlgerichte von Iglo. Die Kampagne der Hamburger Werbeagentur McCann Erickson ist aufwändig angelegt. Vier Fernsehspots laufen bereits, unterstützt werden sollen sie in Zukunft durch zwei Print-Kampagnen.

"Die Resonanz der Fernsehwerbung ist sehr gut. Wir sind selbst überrascht über die starke Aufmerksamkeit", sagt Ute Sievert von Lagnese-Iglo. Dabei glaubte man schon im Vorfeld der Kampagne, kein großes Risiko eingangen zu sein, stünden Männerpaare doch für gehobene Ansprüche und erlesenen Geschmack.

Für Holger und Max haben die Werber die Biografien gleich miterfunden, nachzulesen auf der Website (www.maxundholger.de). Jeder hat hier einen eigenen Lebenslauf mit Kinder- und Jugendfotos. Auch die Geschichte, wie die beiden sich kennen gelernt haben, ist zu finden: "Bei der Premierenfeier von Schwanensee. Max hatte eine winzige Rolle als junger Schwan und sah einfach umwerfend aus in seinem Federkostüm."

Wer glaubt, hier handele es sich um den Einsatz klassischer Klischees, liegt nicht ganz falsch. Mit dem Internetauftritt und den Fernsehspots setzt McCann Erickson bewusst auf bekannte Schablonen. Max, der junge dynamische Tanzlehrer, übernimmt die Frauenrolle in der Küche, Holger mimt den intellektuellen Kunstbuchhändler, der gerne bekocht wird. "Wir haben den ersten Spot absichtlich so deutlich überzeichnet. Der Zuschauer sollte sofort sehen, dass hier etwas anders ist", begründet Iglo-Sprecherin Sievert die Absicht.

Doch noch steckt in Deutschland die Werbung mit Schwulen in der Startphase. Länder wie Großbritannien oder die USA haben die "neue" Klientel längst als Zielgruppe entdeckt. Dort werben bereits Autohersteller wie Mercedes-Benz und VW um die Aufmerksamkeit der schwulen Community.

Jetzt belegt auch eine groß angelegte deutsche Studie der Berliner PR-Agentur "Publicon" über das Konsum-, Reise- und Freizeitverhalten Homosexueller, was findige Marketingexperten schon geahnt hatten: Schwule und Lesben sind mobil, technisch interessiert, überdurchschnittlich gebildet und kaufkräftig. Rund 40 Prozent haben ein abgeschlossenes Studium, sie reisen häufig und geben dafür rund 1000 Mark mehr aus als Heteros. Rund 60 Prozent der 3000 Befragten haben einen Internetzugang (doppelt so viel wie in der Durchschnittsbevölkerung), jeder Dritte verfügt über eine Kreditkarte. Für die Marketingabteilungen bleibt also noch genügnd Raum für Werbemöglichkeiten für und mit Homosexuellen - auch außerhalb der Küche.

Hendrik Vöhringer

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